Auch Schriftsteller „trunken vom Blutdunst“

Münster. Die Völker Europas waren begeistert im August 1914, die meisten Schriftsteller standen ihnen nicht nach. Über sie und ihren Wandel zum „literarischen Pazifismus“ sprach am Donnerstag, 29.05.2014, Professor Wolfgang Frühwald im fast vollen Theater-Café der Bühnen Münster.

Erster Weltkrieg in Erlebnissen nahegebracht

Über den Zweiten Weltkrieg habe sie mehr gelernt in der Schule, sagte nachher eine Frau, jetzt sei sie „beeindruckt“. Dieser erste Millionen-Tod des 20. Jahrhunderts sei ihm ganz nah, hatte Frühwald zum Schluss gesagt und auf seine Familie verwiesen. In vielen Zitaten hatte er Erleben und Gedanken vor allem dreier Schriftsteller mitten in den Saal geholt: Gerhart Hauptmann, Ernst Toller und Bertolt Brecht.

Viele habe die Hoffnung getrieben, so Frühwald, nach dem – kurzen – Krieg werde es kein autoritäres Regime mehr geben. Und des Kaisers Versprechen, er „kenne keine Parteien mehr“, massiv unters Volk gebracht, versprach Einigkeit über soziale Schranken hinweg. Und Juden die Anerkennung oder Assimilation.

Kriegs-Freiwilliger und pazifistischer Revolutionär: Ernst Toller

Frühwald zeichnete nach, wie die Euphorie des Daheim-zu-Weihnachten-Kriegs diskussionslos und diskussionsunfähig die Menschen vereinte, „von dem Blutdunst wie betrunken“, so Stefan Zweig 1944. Zweifler? „Allein im Vaterland“. Der Student und spätere Dramatiker und Revolutionär Toller meldet sich freiwillig. 1916 zieht er im Schützengraben menschliche Gedärme aus dem Boden, ändert seine Ansicht, appelliert an Hauptmann, „Sie, der Dichter des leidenden Menschen“ – er möge seinen Irrtum bekennen – „es würde die Jugend Europas sammeln“. „Eh ich nicht durchlöchert bin, kann der Feldzug nicht geraten“, schrieb Hauptmann 1915. Er, der wegen Mangel an Patriotismus 1913 für sein Werk zur Völkerschlacht angefeindet worden war. Anderthalb Millionen Gedichte seien 1914 in Deutschland zum Krieg entstanden, so Frühwald.

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Das meist ältere Publikum nutzte gern die Gelegenheit, Frühwald zu befragen. Wolfgang Türk leitete den Vortrag im Rahmen der Reihe Gelehrte im Theater zum Thema „Der Erste Weltkrieg und die Künste“. Sie umfasst bis zum letzten Vortrag am 22. Juni noch sieben Vorträge und eine Podiumsdiskussion mit Christopher Clark.