Annette von Droste-Hülshoff in Lesung erschlossen

Annette von Droste-Hülshoff in Lesung erschlossen
Eva Höppner rezitiert: "Der Knabe im Moor". Foto: A. Hasenkamp.

Zuletzt aktualisiert 2. November 2022 (zuerst 30. Oktober 2022).

Facetten eines dichterischen Frauenlebens im 19. Jahrhundert vom VorLeseClub Hiltrup erschlossen

Münster-Hiltrup (agh). Einen deutlichen „roten Faden“ haben sie ja immer, die Lesungen des VorLeseClub Hiltrup, ob es um die Farbe Blau geht oder um Literatur und bildende Kunst

Diesmal war eine Person der Aufhänger, eine Frau von anno 1797, und der Faden war vielleicht noch schöner rot. Der Abend im Hiltruper Museum war Annette von Droste-Hülshoff gewidmet, als „Annette reloaded“.  In Wertschätzung, aber nicht in tumber Verehrung. Die Zeitläufte waren einbezogen, sozial, im Blick auf die Rollenzuweisung an Weibsbilder, mit klarer „Diagnose“ zu Leibes- und Geisteskräften vom unbezweifelbaren Mediziner, politisch auch.

Die Biographie der zwei Monate zu früh zur Welt Gekommenen, in der von Erb-Prioritäten getriebenen adligen Familie im Prinzip Überflüssigen, prägte einiges Glück, da sie zu höherer Bildung Zugang bekam, freilich eher zufällig, sodann das Unglück der körperlichen Einschränkungen, verschärft durch die eigene Familie, durch noch zusätzlich eingeschränkte Spielräume für eigene Wünsche. Schließlich sollte sie irgendwie noch „unter die Haube“ kommen können. Die vom VorLeseClub gewählten Texte verdeutlichten „Fräulein Nettes“ prekäre Freiheits-Lage über die einzelne Person hinaus: Texte der Dichterin selbst, dazu von Sarah Kirsch, Karen Duve und Ulla Hahn. Weil so von Text zu Text das Bild dieser und nicht nur dieser Frau klarer und facettenreicher wurde, war der Faden stark.

Im zweiten Teil kam Historisch-Politisches hinzu, nämlich die Zeit des Vormärz, die der Adeligen Rolle in Frage zieht. Ihr Protegé und Vertrauter, Levin Schücking, schrieb einen Text, kritisch gegenüber dem Adel und als auch auf die Droste gemünzt – ein abruptes, endgültiges Zerwürfnis folgte.  

So belesen, mit mehr als dem rein Biographischen und Literarischen, können die Gäste der Lesung des VorLeseClubs Hiltrup gebildet und noch neugieriger zur Meersburg fahren, wo auf der „Magischen Säule“ von Peter Lenk die Droste prangt, als menschliches Antlitz mit Vogelschwingen.