Vortrag: „Sizilianischer Barock – Formenreichtum als Lebensprinzip“

Datum/Zeit
Date(s) - 22.07.2021
15:00 - 17:00

Veranstaltungsort
Restaurant Strandhof

Kategorien


Kulturkreis 22.7.21, 15 Uhr, Strandhof/Canu/Camp, Homannstr. 64, Münster-Angelmodde
Vortrag: „Sizilianischer Barock – Formenreichtum als Lebensprinzip“
Ref.: Dr. Andreas Post, Studienreiseleiter

Sizilien ist nicht nur das Land, wo die Zitronen und die Orangen blühen, sondern als zentrale Weltinsel im Mittelmeer auch Schauplatz vieler rivalisierender und sich gegenseitig befruchtender Kultur seit dem Altertum gewesen. Die sizilianische Kultur hat so im Laufe der Jahrhunderte eine besondere Ausformung erhalten, die innerhalb Italiens einmalig ist. Eine herausragende Epoche war die Herrschaft der spanischen und neapolitanischen Bourbonen, die vom Beginn der Neuzeit im 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts reichte und kurze Zwischenzeiten der Habsburger bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und kurze Zwischenzeiten der Habsburger- und Franzosen-Herrschaft einschloss. Diese Zeit des höfischen Absolutismus, wie wir Barock nennen, war geprägt von der Durchsetzung der katholischen Reform nach dem Trienter Konzil und der damit Neuausrichtung der Architektursprache und der ganzen Lebenskultur.

Der schwere Ätna-Ausbruch von 1669 und das verheerende Erdbeben von 1693 waren die epochalen Naturkatastrophen dieses Barockzeitalters und Anlass, vor allem im Osten und Südosten der Insel dieser neuen Bauweise und mit ihr alle künstlichere Ausdrucksform und Weltanschauung zum Durchbruch zu verhelfen. Vier Phasen unterscheidet man innerhalb dieser Epoche, die von Architektennamen wie Alonzo di Benedetti und Stefano Ittar, aber vor allem von Giacomo Amato und Giacomo Serpotta in Palermo geprägt sind. Abhängig von den großen Barockzentren Rom, Neapel und Wien, schufen sie für Sizilien eigene Lösungen und oftmals faszinierende Neuschöpfungen. Das Außergewöhnliche jeder Sizilienreise sind dabei die überreichen wie verspielten, grotesken wie überschwänglichen und phantastischen wie kunstvollen Baudekore und Ornamente. Ihre starke und bisweilen grelle Ausdrucksform ist Spiegel der prallen Lebensfreude ihrer Schöpfer und aller Menschen auf Sizilien, die ihren Ursprung weit vor dem Barockzeitalter in der antiken Geschichte hat, als die Insel zum großgriechischen Kulturraum gehörte. Der Vortrag will darum die lange Traditionswirkung von bestimmten Formprinzipien und Schmuckweisen aufweisen und erklären helfen. Nicht zu unterschätzen sind dabei die Mechanismen der Sozialstrukturen und die Faktoren ihres Einflusses auf die Entscheidungsträger einer neuen Baukultur, Adel und Kirche, die viele Hafenstädte und besonders den Ostteil Siziliens gründlich neuformten.

Der Vortrag hat den Osten und Südosten mit den faszinierenden Hafenstädten Catania und Syrakus und die Ba rockmetropolen Modica, Ragusa und Noto als Mittelpunkt zum Thema, berücksichtigt aber auch ausgewählte Orte und Gebiete im Westen oder Norden wie die Hauptstadt Palermo. Schließlich gilt unser Augenmerk der Künste der Alltagskultur, die diesen sinnenfreudigen Schmuckreichtum zum Lebensprinzip erhob, wie wir etwa in Viscontis Verfilmung des Romans „Il gattopardo“ von Lampedusa sehen und die ihm in der kulinarischen Delikatesse und den Verzierungen der Dolci (Süßwaren) zum Höhepunkt verhalf.