Amokläufer von Emsdetten war Denkthema in Philosophischer Praxis

Münster-Wolbeck. 20 Thesen stellte er zur Diskussion, seiner 21. war bei diesem außerordentlichen Philosophischen Frühschoppen allgemeine Zustimmung sicher: „Ich habe Ihnen viel zugemutet.“ „Der Amoklauf von Emsdetten oder Jugendliche Ohnmacht und Gewalt“ war am Sonntagmorgen Thema der Gesprächsrunde mit einem guten Dutzend Gästen aus Wolbeck, Albersloh, Telgte und Münster.

Die erste Frage eines der Gäste traf die Denkrichtung des Gastgebers Dr. Thomas Polednitschek: „Was tun?“ Seine „Philosophische Praxis“ gilt nicht zuletzt der Frage, wie ein gutes Leben möglich wird.

"Negativer Nihilismus" des Amokläufers

Für den Amokläufer Sebastian B. war es unmöglich. Er war ein Suchender und hatte einiges an geistiger Kraft, stellte der Philosoph und Theologe in seinem Vortrag heraus. Selbstkritisch sah sich B. als einen, der lange Statussymbolen verfallen war – Kleidung, Handy, auch „Freunde“ als Statussymbole.

Aber einen neuen Glauben schaffte er nicht; er wurde in Polednitscheks Worten „ein nach-moderner Melancholiker“. Was dem jungen Mann schmerzlich fehlte, war Anerkennung als Person mit individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten. Das, so sah Sebastian es in seinem Abschiedsbrief, bot ihm seine soziale Umwelt nicht. Er schuf sich eine Ersatzwelt. Auch die Diskutanten in Wolbeck sahen eine vielerorts verkümmerte Gesellschaft. Kritik fingen sich Interpretationen des „Spiegel“ und der BILD-Zeitung ein. „Das subjektive Störungsbild von Sebastian B. ist der Spiegel für ein objektives Störungsbild unserer Gesellschaft“, meinte der Philosoph.

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„Philosophischen Frühschoppen“ in Münster-Wolbeck

Der „Philosophischen Frühschoppen“ bietet in den Räumen an der Münsterstraße einiges an geistigem Werkzeug. Keine leichte Kost, aber eingängig erklärt – der verschmitzte Menschenfreund mit der ungestopften Pfeife in der Hand zeigt, wie sich der Welt neue Einsichten entreißen lassen. Dazu gehören einige Fachbegriffe, vor allem jedoch der Austausch im Gespräch. Kein Dazwischenreden, keine Hektik – man hört sich ruhig zu und greift Ideen auf. So mancher, das merkt man, ist nicht zum ersten Male hier. Es geht, sagt Polednitschek, um die geistige Kraft zu einem selbstbewussten, selbstbestimmten Leben. Da vergehen zwei Stunden wie im Fluge.