Wie der Seestern seine fünf Arme bekam

Wie kommen Seesterne zu ihren fünf Armen? Diese Frage stellt Zoologen vor ein Rätsel. Der Biologe Dr. Marc de Lussanet vom Institut für Psychologie der Universität Münster hat nun eine Erklärung dafür gefunden: Die frühsten Vorfahren von Seesternen waren sechsstrahlig, so seine Hypothese, und waren damit symmetrisch gebaut. Der sechste Strahl ist jedoch schon früh während der Evolution verloren gegangen. Seine Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Evolution & Development" veröffentlicht.

Ein Blick auf den Stammbaum der Tiere zeigt: Seesterne werden dem Stamm der Stachelhäuter zugeordnet. Wie auch Wirbeltiere gehören Stachelhäuter wiederum zu den sogenannten Neumündern. Letztere sind grundsätzlich zweiseitig symmetrisch aufgebaut. Diese Symmetrie fehlt jedoch bei erwachsenen Stachelhäutern, zu denen neben Seesternen auch Schlangensterne, Seeigel, Seegurken und Seelilien gehören. Die Larven von Stachelhäutern allerdings unterscheiden sich deutlich von den erwachsenen Tieren: Sie zeigen noch den zweiseitig symmetrischen Körperbau, der für diese Tiergruppe eigentlich typisch ist.

"In den vergangenen Jahrzehnten ist Wissenschaftlern klar geworden, dass die fünfstrahlige Körperform erwachsener Stachelhäuter schon sehr früh in der Evolution entstanden sein muss", erklärt Marc de Lussanet. "Auch die Seestern-Arten mit mehr als fünf Armen stammen von fünfarmigen Vorfahren ab." Für die Entstehung der Körperform erwachsener Seesterne gibt es eine Reihe von Erklärungsansätzen. Allen gemein ist die Annahme, dass die Körperachse der erwachsenen Tiere stark von der zweiseitig symmetrischen Achse der Larven abweicht. „Bisher wurde vermutet, dass das erwachsene Tier aus der linken Seite des Jungtiers herauswächst, wobei die Larve aufgelöst wird", sagt Marc de Lussanet.

In seiner Arbeit zeigt der münstersche Biologe jedoch, dass die larvale Körperform nicht aufgelöst wird, sondern eine Reihe von komplizierten Drehungen durchläuft. "Dabei bewegt sich die Bauchseite zuerst weg von der rechten Körperseite", erklärt er. Die rechte Seite bildete in vielen der ausgestorbenen Formen einen Stiel, um sich auf dem Untergrund festzusetzen – ähnlich wie bei heute lebenden Seelilien und bei jungen Seesternen, die während einer bestimmten Entwicklungsphase auf dem Meeresboden "ankern". "Während dieser Umstrukturierung geht von der sechsstrahligen Struktur des Jungtiers ein Strahl verloren. Fünf Strahlen bleiben erhalten. Sie gruppieren sich um den Mund herum, der beim erwachsenen Seestern mittig auf der Bauchseite liegt", veranschaulicht Marc de Lussanet. Er betont: "Die vorliegende Arbeit zeigt nicht nur, wieso Seesterne fünf Arme haben. Sie erklärt auch, dass die sehr unterschiedlichen Formen verschiedener Stachelhäuter auf einem gemeinsamen Bauplan beruhen – und dass sie tatsächlich eine zweiseitig symmetrische Körperachse besitzen."