Website-Icon Wolbeck & Münster

Verbraucherinformationsgesetz versagt im Alltag

14.01.2009 – Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) hält nicht, was der Name verspricht und bringt Verbrauchern im Alltag mehr Frustration statt Aufklärung. Dies ist das ernüchternde Fazit eines bundesweiten Behördentests, den die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband heute in Berlin zum Auftakt der Grünen Woche präsentieren.

"Das Gesetz ist mit einem Versprechen auf mehr Bürgerfreundlichkeit und Transparenz in Kraft getreten – diesen Anspruch erfüllt es nicht", fasst Vorstand Gerd Billen die Ergebnisse zusammen. In einem Zehn-Punkte-Programm fordern die Verbraucherverbände die behördlichen Zuständigkeiten klarer zu regeln und für mehr Bürgernähe zu sorgen.

Die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband haben in den zurückliegenden Monaten über 100 Anfragen an Landesbehörden und Kommunen ausgewertet. Thematische Schwerpunkte der Anfragen waren Beanstandungen von Schinkenimitaten und Lachsprodukten, Pestizidbelastungen von Obst und Gemüse, Hygienemängel in Schulküchen und Imbissbuden sowie Sicherheitsmängel bei Spielzeug. In der Mehrzahl enthielten die behördlichen Auskünfte keine konkreten und alltagstauglichen Informationen. Zudem schreckten hohe Gebühren ab.

Verbraucheranfragen zweiter Klasse

Rund zwei Drittel der Anfragen waren Verbraucheranfragen, ein Drittel Anfragen der Verbraucherzentralen. Das für Verbraucher frustrierende Ergebnis: Während die Anfragen der Verbraucherzentralen ernsthaft und sorgfältiger bearbeitet wurden, wurden die Verbraucher meist mit pauschalen Antworten abgespeist. Für Hedi Grunewald von der Verbraucherzentrale Niedersachsen ein beschämender Befund: "Bei den Behörden werden Verbraucheranfragen offenbar wie Anfragen zweiter Klasse behandelt."

Viele Verbraucheranfragen wurden mit allgemeinen und wenig brauchbaren Hinweisen beantwortet. Auch in den Fällen, in denen Auskunft erteilt wurde, bleiben den Verbrauchern handfeste Informationen vorenthalten. "Ross und Reiter" wurden in der Regel nicht genannt, alltagstaugliche Informationen über unsichere Produkte und auffällige Verkaufsstellen gab es nur in Einzelfällen. Konkrete Auskünfte gab es bei den ausgewerteten Beispielen paradoxerweise nur dann, wenn keine Beanstandungen zu vermelden waren. Beispielhaft einige Auszüge von Antworten auf Anfragen zur Spielzeugsicherheit:

Hohe Kosten und lange Verfahrensdauer

Abschreckend auf die Verbraucher wirken auch die hohen Kosten. In 17 von 65 Anfragen der Verbraucherinnen und Verbraucher wurden diese durch hohe Gebührenankündigungen davon abgehalten, ihre Anfrage weiter zu verfolgen. "Mit Kostenandrohungen von bis zu 500 Euro für eine simple Anfrage beispielsweise zu Kontrollergebnisse von Kinderspielzeug wird jedes Verbraucherinteresse im Keim erstickt", sagt Hedi Grunewald.

Laut Koordinator Roland Stuhr erschwert zudem die komplizierte Anwendung und Auslegung des VIG eine schnelle und unbürokratische Aufklärung der Verbraucher: "Es läuft etwas grundlegend falsch, wenn sich selbst bei Gesetzesverstößen die betroffenen Unternehmen erst einmal ausführlich äußern dürfen und die Verbraucher und die Öffentlichkeit dadurch monatelang auf Auskünfte warten müssen." Bei den Anfragen der Verbraucherzentralen kam regelmäßig das umständliche und mit drei bis vier Monaten langwierige Verwaltungsverfahren des VIG zur Anwendung. Falls betroffene Unternehmen Widerspruch gegen die Veröffentlichung oder Klage vor den Verwaltungsgerichten einreichen, kann sich diese Frist noch weiter verlängern, der Informationszugang verweigert werden oder auf unabsehbare Zeit verschieben. Beispielhafte Fälle zu Anfragen über Schinkenimitate und Lachs:

 

Strukturelle Mängel erfordern Nachbesserungen

Der Praxis-Test der Verbraucherzentralen und des Bundesverbandes haben gezeigt: Das VIG wird dem Anspruch auf mehr Bürgerfreundlichkeit und Transparenz nicht gerecht. Die Zuständigkeiten der Behörden sind unklar und die Anwendung wenig verbraucherfreundlich. "In seiner derzeitigen Fassung ist das Gesetz ineffektiv und bürokratisch. Es ist nicht klar geregelt, was überhaupt ein Verstoß ist, Kosten und Verfahrensdauer sind nicht transparent, Behörden scheuen sich nach wie vor, Ross und Reiter zu nennen", bringt Gerd Billen das Kernproblem des VIG auf den Punkt.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentralen setzen sich für ein umfassendes und gut funktionierendes VIG ein. In einem Zehn-Punkte-Programm fordern sie den Gesetzgeber auf, unmissverständlich zu regeln, dass über jede Beanstandung wegen Missachtung von Lebensmittelrecht unverzüglich und kostenlos informiert wird. Zudem müsse bei festgestellten Gesetzesverstößen auf langwierige Anhörungen der betroffenen Unternehmen verzichtet werden und spätestens nach einem Monat informiert werden. "Die langwierige Anhörung der betroffenen Unternehmen darf nicht zum Regelfall werden", so Billen.

Wegen der komplizierten Zuständigkeitsverteilung in der Lebensmittelüberwachung der Länder regt der Verbraucherzentrale Bundesverband an, in den Bundesländern einen einheitlichen Ansprechpartner für alle Verbraucherfragen zum VIG zu benennen und den Datenaustausch zwischen den Behörden zu verbessern. Billen: "Es kann nicht Aufgabe der Verbraucher sein, sich über unklare Zuständigkeiten zu informieren, bevor Anfragen gestellt werden können." Darüber hinaus müssten die Anfragen der Verbraucher ernster genommen und präziser beantwortet werden. Vor allem wenn es um Gebühren geht, müssten Verbraucher vorher erfahren, was die Anfrage kostet.

Weitere Informationen beim vzbv.de im Dokumentendownload (Hintergrundpapier Behördentest; Zehn-Punkte-Programm)

# Ablauf Verbraucheranfragen Verbraucherinformationsgesetz

# Link des Bundesverbraucherministeriums zum Verbraucherinformationsgesetz: www.vigwirkt.de

Die mobile Version verlassen