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Spuren der Erinnerung an jüdische Wolbecker

Spuren der Erinnerung an jüdische Wolbecker

Ganz persönlich lassen sich die Spuren der jüdischen Einwohner Wolbecks nachvollziehen, zeigte die Lesung mit Peter Schilling und Gudrun Beckmann-Kircher. Foto: A. Hasenkamp, Fotograf in Münster.

Münster-Wolbeck. „Spuren der Erinnerung an jüdische Familien in Münster-Wolbeck“: Ihnen folgte am Mittwochabend in der Christuskirche die Lesung aus dem so betitelten 2017 erschienenen Buch von Peter Schilling, Gudrun Beckmann-Kircher und Monika Simonsmeier. Schilling und Beckmann-Kircher lasen aus dem Buch, das in der Tradition vieler Veranstaltungen in Wolbeck steht, und zeigten Bilder von Familien und Einzelnen.
Zur Strategie der Nationalsozialisten gehörte es, den Menschen das Individuelle zu nehmen, so Schilling: Aus dem Nachbarn mit seinen Eigenheiten wird einer vom „internationalen Judentum“. Gerade das Gegenteil leistet das Buch. Mitunter spricht eine Karte Bände: Die Wohnungen der Wolbecker Juden standen verstreut über das ganze Dorf, die Synagoge nahe der katholischen Kirche: „Sie gehörten doch zu uns“, habe Martha Franke immer wieder gesagt, so Schilling. Das dokumentiert auch ein Foto des Kegelclubs „Unter uns“. Das änderte sich nach 1933 drastisch. Ausgegrenzt, verunsichert, von Enteignung bedroht emigrierten einige ins scheinbar sichere Ausland.
Bemerkenswert, aber typisch deutsch war die Akribie der Dokumentation der Konzentrations- und Vernichtungslager bis in das letzte Jahr des Krieges. Erhalten ist auch die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft zu den Ausschreitungen gegen die Wolbecker Synagoge 1938 mit den Namen der Verdächtigen.
Die Überlebenden verschlug es nach England, Australien, Israel. Dauerhaft nach Wolbeck zurückgekehrt ist keiner. Helmut Pins kam für einige Jahre; auf seinem LKW ist manche Mannschaft des VfL Wolbeck zu Auswärtsspielen gefahren. Jenny Cohen brachte es zur Obermedizinalrätin in der DDR. Deutlich machte Schilling auch, dass es Menschen berührt, wenn sie erfahren, dass an ihre Vorfahren in Deutschland noch gedacht wird. So machte er ein Familienmitglied der Hoffmanns in San Francisco ausfindig. Ein anderer stellte nur dank der Recherchen fest: Er hat noch eine Cousine.
Die Quellenlage ist häufig überraschend gut, so der Tenor. Eingang in das Buch fand von den Aussagen der Zeitzeugen nur, was sich anderweitig bestätigen ließ – und sei es auch noch so glaubwürdig erschienen.
„Nur acht“ Menschen seien gekommen, beklagte ein Gast in der Christuskirche. Aber, so Schilling, der erste Vorstellungstermin im letzten Frühjahr war sehr gut besucht. Die Zuhörer beschäftigte auch die Frage „Wie würde es heute sein?“ oder welche Voraussetzungen es braucht, „dass so etwas möglich ist“?
Das Buch „Spuren der Erinnerung an jüdische Familien in Münster-Wolbeck: Lebensgeschichten zu Stolpersteinen“ ist u.a. über die Buchhandlung „Buchfink“ und die Leseboutique Zumegen erhältlich. Zudem gibt es ein informatives Faltblatt des Vereins „Spuren Finden“ mit dem Titel „Stolpersteine. Jüdische Erinnerungsspuren in Wolbeck“.

 

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