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Russland-Ukraine versus Alliierte-Irak: Vergleich zweier Invasionen und des Danach

Vor welchen Problemen das Putin-Regime in der Ukraine steht, darauf kann ein Vergleich dieser Invasion mit dem alliierten Einmarsch in den Irak Saddam Husseins im März 2003 und der nachfolgenden Besetzung (2003-2011) Schlaglichter werfen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigen sich.

Beim Einmarsch der Alliierten (der USA, Großbritanniens und einer „Koalition der Willigen“) reagierten zumindest Teile der Bevölkerung positiv, die Truppen wurden als Befreier empfangen. Viele Iraker wohnten begeistert dem Sturz der Statue Saddam Husseins bei. Die Begeisterung dauerte zwar nicht lange, wich einem verbreiteten Gefühl der Besatzung, es ist aber ein erster Unterschied zum Empfang der russischen Streitkräfte in der Ukraine.

Zum zweiten lief der militärische Teil der Invasion im Iraq für die Alliierten stärker nach Plan, während die russischen Streitkräfte zumindest bis zum Tag 3 weniger Erfolg hatten als geplant. So konnten sie nicht die Kommandostruktur der ukrainischen Streitkräfte zerschlagen oder sie zur Kapitulation bewegen. Ihre Verluste sind höher als die der Alliierten in diesem Zeitraum.

Widerstand in der Ukraine – Folgen für Russland

Was ist an Widerstand nach einem russischen militärischen „Sieg“ über die Regierung Selenskyi zu erwarten? „Sieg“ bedeutet ein Absetzen des gewählten Präsidenten, die Kapitulation der Streitkräfte oder die Auflösung ihrer Strukturen. Widerstand kann zum einen ein punktuelles Zuschlagen isolierter ukrainischer Soldaten sein, zum anderen Aktionen aus der Zivilbevölkerung. Dies kennt man aus dem Irak. Das bedeutet Hinterhalte an potentiell jeder Ecke. Im Irak hat es den Alliierten gewaltige Probleme bereitet. Dazu gehören ständige Angriffe, die zermürben und die Zuweisung von zusätzlichen Kräften erfordern und zu eigenen Verlusten führen und zu schwersten psychischen Schäden. Diese Verluste fallen irgendwann in Russland auf und dürften wie bereits früher erlebt Hinterbliebene auf den Plan rufen, die in Russland an die Öffentlichkeit zu treten versuchen werden. Die russischen Opfer Putins haben Namen, Angehörige und Freunde – irgendwann fällt ihnen auf, dass die Söhne stumm bleiben.

Wie nachhaltig kann der Widerstand in der Ukraine sein? Die russische Föderation steht vor der Herausforderung, etwas Besseres anzubieten oder etwas Furchtbares. Hier hat der Westen eine Stärke: Kommt er dem Ansinnen des ukrainischen Präsidenten nach einer Aufnahme der Ukraine entgegen, ist dies für wesentliche Teile der Gesellschaft, gerade die jüngere, eine verlockende Aussicht. Was hat dem die Russische Föderation entgegenzusetzen?

Ähnlich wie im Irak werden bald zusätzliche russische Truppen notwendig sein, um Hunderte und Tausende von Lokalitäten zu bewachen, um gegen Partisanen vorzugehen. Damit steigt die Zahl der Mitwisser um Verluste und Verletzte und die vermutlich bald auftretenden Gräueltaten. Die Soldaten werden ihre Erlebnisse irgendwann in der Heimat verbreiten.

Präsenz der Invasion in westlichen Medien

Ein weiterer Aspekt ist die dauerhafte Präsenz der Geschehnisse in der Ukraine in westlichen Medien. Diese gänzlich zu unterdrücken ist dem Putin-Regime kaum möglich. Damit gibt es eine laufende Präsenz von Videos, von Zerstörung, Leichen, Berichten von Verschwundenen, von flüchtenden Kindern und Frauen, von Familien, zerstörten Privathäusern. Diese Präsenz wird um so stärker sein, als Angehörige der betroffenen Ukrainer als Flüchtlingen im Westen leben werden. Ein Gewinn an Legitimität für das Putin-Regime ist damit gewiss nicht verbunden. Die Wirkung fortdauernder Berichte im Westen dürfte noch stärker sein als die der Berichte aus Syrien. Damit dürften westliche Regierung relativ starke Anreize haben und behalten, die Gesellschaft in der Ukraine zu unterstützen. Das betrifft wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen ebenso wie das Liefern von Waffen.

Wieviel Widerstand? Die Bedeutung einer attraktiven Perspektive

Die Russische Föderation wird damit vor weiteren Widerstands-Akten und Verlusten stehen, der ukrainische Widerstand weiter vor einer besseren Alternative als der Unterwerfung.

Wie informiert man sich in Russland?

Im kriegführenden Staat, der Russischen Föderation, ist das Verhältnis von Staat, Medien und Gesellschaft ein anderes als im „Westen“. Die punktuelle Demonstration wird direkt unterbunden, Demonstrierende verhaftet und zumindest so „stumm“ gemacht. In die vermutlich noch stärker als bisher staatlich gelenkten Medien wird es solcher Protest nicht schaffen. Welche Möglichkeiten haben Russinnen und Russen, bei aufkommenden Zweifeln an der Putin-Propaganda andere Quellen zu konsultieren? Mit dieser Frage schließt diese Kurzanalyse zu erwartbaren Effekten des russischen Einmarschs in der Ukraine mit ihrem groben Vergleich mit der Invasion im Irak 2003.

Zusatz, 3.3.2022

Lese-Hinweise zu Ukraine & Invasion Russlands

Informationsmaterialien zum Krieg in der Ukraine | H-Soz-Kult. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften | Geschichte im Netz | History in the web (hsozkult.de)

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