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Rundgang zu Stolpersteinen hält Erinnerung an deportierte jüdische Wolbecker wach

Münster-Wolbeck. Erinnerungen wach zu halten an Menschen, die vom Nationalsozialismus aus der Mitte des Wolbecker Lebens weggerissen wurden, war am Donnerstag Anliegen eines Rundgangs. Die Stationen waren  „Stolpersteine“, in das Pflaster eingelassene Quader mit den Namen und Daten jüdischer Wolbecker.

Sie finden sich inzwischen an vielen Stellen, mehrere an der Münsterstraße  oder in der Hofstraße. Die Familiennamen: Hoffmann, Weinberg, Falke, Baumgarten, Philipps, Heilbronn.  Organisator Peter Schilling vom Verein „Spuren Finden“ freute sich über gut zwanzig Gäste des Rundgangs, Vereinsvertreter und Bürger, und besonders über die Wolbecker, die selbst etwas zu den Menschen und Orten sagten. Unter ihnen Willi Schriek, der den Rundgang im Jahr des Wigbold-Jubiläums angeregt hatte, Gudrun Beckmann-Kircher, Dorothee Schulte-Scherlebeck und Bernhard Bussmann.
Zu den Stationen der knapp zwei Stunden gehörten auch zwei besondere Orte ohne „Stolperstein“. So das Kriegerdenkmal, auf dem auch der Name des jüdischen Wolbeckers Siegfried Heilbronn steht. Alle unter dem Motto: „unvergessene Helden 1914 – 1918“. Im damals bedeutsamen Kriegerverein waren auch Juden, auch in Vorstandsfunktionen. Zur Integration gehörte auch das gemeinsame Kegeln, der Tanz, das Schützenfest. Reibungen gab es auch. So war aus einer Familie der Mann recht unbeliebt, die hilfsbereite Frau dagegen beliebt. Am ehemaligen Standort der Synagoge, nichts ist mehr von ihr zu sehen, hängt nun eine Gedenkplatte. Lange habe es gebraucht, bis sie an die Stelle des Zigaretten-Automaten treten durfte, der zuvor die Stelle markierte. Inzwischen hängt hier auch noch ein Schild der AG Stadtteilmarketing des Bürgerforums Wolbeck; die Station ist Teil des „Wolbecker Spaziergangs“.
Das erfuhren die gut 20 Teilnehmer auf dem Rundgang. Wegen, die auch die jüdischen Wolbecker alltäglich gegangen waren, „dann nur noch im Dunkeln, dann gar nicht mehr“. „Das gemeinsame an ihrem Lebensgeschichten ist das Wort „deportiert““, erinnerte   Schilling.
Aber vollständig war die Integration nicht. In der Schule fiel auf, dass die jüdischen Kinder Samstags nicht kamen – Schabat. Sie besuchten alle die katholische Schule, nachdem Probleme mit der Lehrerbezahlung und sinkende Kinderzahl zum Beschluss geführt hatten, die Schule im Anbau an die Synagoge nicht weiterzuführen. „Von Problemen habe ich nichts gehört“, so   Schulte-Scherlebeck. Ganz in der Nähe der Kirche stand nach 1933 schließlich ein mehrere Meter breiter Aushang mit der nationalsozialistischen Hetz-Schrift „Der Stürmer“, erinnert sich   Bussmann, der als einziger Zeitzeuge mitging.
Damit die Erinnerungen bleiben, müssen sie immer wieder erzählt werden, plädierte  Schulte-Scherlebeck. Sie selbst und ihre Mitarbeiterinnen tun dies oft, erzählt sie, in dem noch auf die deportierte Familie Falke zurückgehenden Laden. „Auch die ganz Kleinen hören aufmerksam zu.“
Ihre eigene Familie kaufte das Haus gezwungenermaßen unter Schwierigkeiten, als das NS-Regime die Familie Falke zwang, es viel zu günstig zu verkaufen. „Wir hatten nie das Gefühl, das Haus gehört uns wirklich.“ Große Wirkung haben nach ihrem Erleben zwei einfache Worte auf dem Stolperstein: „Hier wohnte“. Dann hebe sich der Kopf der Leser, die Augen richteten sich auf das Haus, das Denken an jene Zeit beginne.
„Aber wie hält man es auf Dauer lebendig?“, fragt Schulte-Scherlebeck.
Der Prozess geht weiter. Noch hat nicht jeder der 29 Namen auf der Stele auf dem jüdischen Friedhof am Helmut-Pins-Weg seinen „Stolperstein“. „Das kann noch Jahre dauern“, so Schilling. Für einige gibt es schon Paten, so hat sich der Heimatverein engagiert. Einen weiteren übernimmt eine Arbeitsgemeinschaft von Schülern des Gymnasiums, die auch der Lebensgeschichte dieses Menschen nachforscht. Sie werden in Kürze ebenfalls einen Rundgang machen, gemeinsam mit Peter Schilling. Bewusst hat er den Gang der jungen Forscher abgetrennt, damit ihnen genug Raum für Fragen bleibt.
Am 6. November findet dann die nächste Verlegung von „Stolpersteinen“ statt.

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