Rahmenkonzept für Münsters Schulentwicklung vorgelegt / Stadt setzt auf Konsens und Öffentlichkeit

Zuletzt aktualisiert 22. März 2016 (zuerst 28. September 2010).

Münster. Turbo-Abitur, Boom auf Angebote im offenen Ganztag, dramatische Schülerrückgänge an Hauptschulen, Reformen mit alternativen Schulmodellen, die ein längeres gemeinsames Lernen zum Ziel haben – die Schullandschaft ist überall mächtig in Bewegung. Die Stadt Münster stellt sich diesen Herausforderungen und legt dem Rat am 29. September ein Rahmenkonzept zum Schulentwicklungsplan (SEP) vor.

Ausreichend differenziertes Angebot an Schulformen in Münster

Grundlage der Leitlinien und Handlungsempfehlungen ist ein ausreichend differenziertes Angebot an Schulformen in Münster, das idealer Weise Aufstiege ermöglicht und Abstiege verhindert. Jeder Schüler soll die Chance haben, sein individuelles Leistungsvermögen auszuschöpfen. Wie werden die Weichen für den Schul- und Bildungsstandort Münster auch mit Blick auf knappe Finanzressourcen künftig gestellt? Das nahezu 100-seitige Rahmenkonzept für Münsters Schulentwicklung macht Vorschläge zu aktuellen Problemlagen – wo muss sofort gehandelt werden – und benennt Prozesse, die mittel- und langfristig zur Entscheidung anstehen.
Vor allem setzt die Stadt in der Schulentwicklung auf ein schrittweises Vorgehen, auf breiten Konsens und – wie bereits beim SEP-Auftakt mit Elternumfragen und mehrteiligen Info-Abenden begonnen – auf große öffentliche Beteiligung. Erst nach dem Ratsbeschluss im Dezember 2010 geht es in Einzelvorlagen um konkrete Entscheidungen und um einzelne Schulen.

Strukturergänzende Maßnahmen

Der kritische Blick auf Münsters Schullandschaft im Rahmenkonzept für Münsters Schulentwicklung umfasst auch eine Bestandsaufnahme der flankierenden Betreuungsangebote. Münster verzeichnet eine zunehmende Zahl von schulmüden Jugendlichen. Statistiken geben Hinweise, dass zudem Schulverweigerung sowie Schullaufbahnen ohne Abschluss – hier lag Münster im Vorjahr mit 6,7 Prozent über dem Landesdurchschnitt (6,1 Prozent) – Thema sind. Verbesserte Diagnostik und stärkere Vernetzung der Hilfen sollen präventiv „Sackgassen-Karrieren“ entgegensteuern. Aktualisiert und gestärkt werden sollen auch Maßnahmen zur Schulsozialarbeit und das Übergangsmanagement Kindertagesstätte / Grundschule und Schule / Beruf. Auf den Prüfstand – qualitativ und quantitativ – kommen die Angebote im Ganztag. Mittelfristig schlägt die Schulverwaltung weitere gebundene Ganztagsangebote in allen Schulformen vor.

Strukturverändernde Maßnahmen für Schulangebot in Münster

Eine bestmögliche schulische Bildung für alle Kinder und Jugendlichen: Je ausdifferenzierter das Schulangebot, desto höher die Chancen für Schüler, ihr Potential individuell abzurufen. Die Verwaltung benennt dazu im Rahmenkonzept für Münsters Schulentwicklung folgende Vorschläge, die nicht zuletzt Münsters Anspruch als innovativer Bildungsstandort unterstreichen:

Städtische integrierte Gesamtschule

Nach Studien ist die Quote der Sitzenbleiber und Schulabbrecher im integrierten Schulwesen geringer als im traditionellen System. Eine höhere Durchlässigkeit zwischen Leistungsstufen nach oben und unten reduziert sonst erforderliche Schulformwechsel. Die Kapazitäten der Bischöflichen Gesamtschule reichen bei weitem nicht aus, um den aus Elternsicht bestehenden Bedarf in Münster zu decken. Die Verwaltung schlägt die Planung einer Gesamtschule in Ganztagsform mit fünf Zügen vor.

Produktionsschule im Rahmenkonzept für Münsters Schulentwicklung

Eine Produktionsschule fängt Schüler auf, bei denen ein schwieriger Schulverlauf absehbar ist. Über praktische Tätigkeiten in verschiedenen Gewerken und deutlich weniger Unterrichtstheorie kann eine hilfreiche Brücke zum Wiedereinstieg ins Lernen und damit Chancen auf eine berufliche Ausbildung gebaut werden. Nachgedacht werden soll über eine städtische Produktionsschule – entweder zentral oder aber dezentral in Stadtteilen angelegt.

Schulmodelle

Auch in Münster erproben Schulen neue pädagogische Wege. So praktiziert die Wartburg-Grundschule gemeinsames Lernen in jahrgangsübergreifenden Gruppen. Das mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnete Konzept würde die Schule gern auch auf einen Sekundarzweig ausweiten. Die Grundschule Berg Fidel und die Geistschule möchten eine Internationale Gemeinschaftsschule für die Jahrgänge 1 bis 13 entwickeln. Schon jetzt kooperieren beide Schulen. Gewünscht wird der Ausbau zu einer inklusiven Pilotschule, die zu allen allgemeinbildenden Abschlüssen führt. Für beide pädagogischen Modelle will die Verwaltung auf Basis des Rahmenkonzepts für Münsters Schulentwicklunggemeinsam mit den Schulen ein detailliertes Konzept erarbeiten. Welche Schulen in Münster Gemeinschaftsschulen gründen wollen, soll in einer eigenen Abfrage ermittelt werden.

Inklusion in Rahmenkonzept für Münsters Schulentwicklung

Inklusive Pädagogik sondert kein Kind aufgrund von Handikaps aus. Sobald entsprechende NRW-Regelungen vorliegen, wird die Schulverwaltung dem Rat ein Konzept vorstellen, mit dem die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen schrittweise umgesetzt werden kann. Über 80 Prozent aller Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen laut UN künftig an Regelschulen unterrichtet werden.

Schülerprognosen für Münster

Auf Basis der kleinräumigen Bevölkerungsprognose ist hochgerechnet worden, wie sich Schülerzahlen entwickeln werden. Danach reduziert sich Münsters Schülerzahl an den städtischen Schulen von 27 174 in 2009/10 auf 25 689 zum Schuljahr 2019/20. Dieser Rückgang um 5,5 Prozent oder 1485 Schülerinnen und Schüler fällt indes moderater aus als von der Landesstatistik IT NRW vorhergesagt. Fast 1000 Schüler weniger verzeichnet allein die Sekundarstufe I der Gymnasien durch den Verlust eines ganzen Jahrgangs. Die Sekundarstufe II legt hingegen um 526 Schülerinnen und Schüler zu.

Den deutlichsten Rückgang verzeichnen die Hauptschulen: Sie verlieren in den kommenden Jahren 654 Schülerinnen und Schüler – das ist ein Minus von knapp 30 Prozent. Für Realschulen, Grundschulen und Förderschulen werden sich die Zahlen kaum verändern. Interessant: Zum Ende des Prognosezeitraums ist wieder einen Anstieg der unter Sechsjährigen in Sicht.

Infrastruktur der Schulen in Münster

Investitionen in die Infrastruktur hängen vor allem von zukünftigen Schülerzahlen ab – absolut wie auf Schulformen bezogen. Der Grundsatz für die Primarstufe lautet: „kurze Beine = kurze Wege“. So sollen Grundschulkinder ihre Schule in einer altersgerechten Entfernung finden. Die kleinräumige Betrachtung auf Bezirksebene zeigt dann auch ein durchaus differenziertes Bild: Es gibt eine gute bis hohe Auslastung etwa im Stadtbezirk Mitte und geringere Auslastungszahlen zum Beispiel im Bezirk West. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Anmeldezahlen zum Offenen Ganztag stetig steigen und entsprechend Flächen in Anspruch nehmen. Dieser Bedarf muss auch zukünftig mit vorhandenen Schulflächen abgedeckt werden. Gibt es dennoch Raumüberhänge, soll die Möglichkeit von Fusionen untersucht werden.

Überangebot bei Hauptschulen

Bei den Hauptschulen führen die beständig sinkenden Schülerzahlen zu einem deutlichen Überangebot. Eltern sollen sich indes darauf verlassen können, dass ihre Kinder auch die Schule besuchen können, zu der sie angemeldet werden. Hängepartien wie im letzten Schuljahr sind weder Schülern, noch Eltern und Schulen zuzumuten. Deshalb schlägt die Schulverwaltung vor, zu 2011/12 das Hauptschulangebot um eine Schule zu reduzieren.

Während Schüleraufkommen und das Angebot an Realschulen sich die Waage halten, muss bei Gymnasien unterschieden werden. Einerseits geht der Sekundarstufe I durch G8 ein ganzer Jahrgang verloren. Der Raumbedarf der Sekundarstufe II ist indes – bedingt durch Kursvielfalt und geringe Kursstärken – spürbar höher. Was an Räumen in der Sekundarstufe I frei wird, wird für die Sekundarstufe II gebraucht. Um die ungleiche Auslastung der Gebäude abzumildern, sollen mit Zustimmung des Rates Gespräche mit den Gymnasien zur Anpassung der Zügigkeiten geführt werden.

Schulentwicklung und Öffentlichkeit in Münster

Münsters Bürger können sich auch weiterhin aktiv an der Planung von Münsters zukünftiger Schullandschaft beteiligen. Ende Oktober liegen die Ergebnisse einer Elternumfrage unter allen Viertklässlern vor. Wenn die Bezirksvertretungen in Münster  in den kommenden Wochen das Rahmenkonzept beraten, sind dazu auch die Schulen aus den Stadtteilen eingeladen. Ein Internet-Forum gibt Gelegenheit, Fragen von Schule, Bildung und Lernmodellen zu diskutieren. Ab dem 29. September nachmittags sind Einträge unter www.muenster.de/stadt/schulamt möglich.