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Quereinsteigerin in der Altenpflege: examinierte Altenpflegerin aus Münster erzählt

Takatun wird dreißig - und sucht dringend neue Räume 1

Altenpflegerin Belinda Karatas mit Anneliese Otto im Altenheim Cohaus-Vendt-Stift. Fotograf: A. Hasenkamp, Münster.

Münster. Spät zur Altenpflege gekommen, zufrieden, und schon in der Ausbildung tätig? Das ist nicht das typische Bild der Arbeit als Fachkraft in der Altenpflege. Belinda Karatas ist aber nicht die einzige, und mehr sind gewünscht. An diesem Morgen im Cohaus-Vendt-Stift hat sie ihre Lieblingsschicht, Frühschicht. Grundpflege ab 6.30, dann Begleiten der Bewohner beim Toilettengang, wenn nötig, zum Frühstück. Die Bewohner sind unterschiedlich fit. Zeit für Gespräche gebe es dabei, man erfahre viel vom Lebenslauf, auch von Schicksalsschlägen. Mal braucht die eine mehr Aufmerksamkeit, mal der andere – da seien die Bewohner „meistens sehr entgegenkommend“. Demenz und Alters-Depressionen seien Herausforderungen. „Pflege ist nicht ein standardisierter Prozess“, merkt der Geschäftsführer des Stifts an, Gerhard Hillebrand. An diesem Dienstagvormittag hat Karatas zwei Stunden lang als Praxisanleiterin einen Auszubildenden begleitet: Ein Mann, auch schon fünfzig, kurz vor der Prüfung.
Die 14 Träger der Altenpflege in Münster suchen Schüler ebenso wie Quereinsteiger, daher bieten sie unter dem Motto „Starke Pflege in Münster“ eine Info-Veranstaltung im Foyer der Bezirksregierung, am 13. Juni ab 15 Uhr. Die Träger hätten untereinander vom Konkurrenz-Denken zur Zusammenarbeit gefunden, sagt Andrea Lameck, die für die Fachkräfteoffensive wir-koennen-pflege.de PR macht und auch im Ruhrgebiet viel mit Trägern und Mitarbeiterinnen spricht.
Vielerorts sind Kräfte knapp. Klienten gibt es genug für Angebote ambulanter Pflege, sagt der Geschäftsführer des Stifts, Gerhard Hillebrand. Er musste im März den Versuch beenden, ein solches Angebot aufzubauen: Weil sich nicht genug Fachkräfte fanden.
Freilich kann auch nicht jeder Pflege. „Kommunikativ gut aufgestellt sein“ müsse man, betont Karatas, Verantwortung übernehmen, entscheiden, auch wenn es ein Team gibt. „Da wächst man ja rein“, sagt Karatas.
Das Arbeitsumfeld hat sich verändert, meint Lameck: Die Heime sehen anders, wohnlicher aus, für die Fachkräfte gibt es Hilfen, um sie körperlich weniger zu belasten. Defizite sieht die examinierte Altenpflegerin Karatas in der gesellschaftlichen Anerkennung, auch beim Geld.
Sie selbst war nach dem Studium der Betriebswirtschaft zunächst in der Personalentwicklung tätig, nach langer Familienpause ging es nicht mehr zurück ins Kaufmännische. Eine Bekannte erzählte von der Altenpflege; nach zwei Praktika schlug die Diplom-Kauffrau mit Anfang 50 diesen Weg ein. Nicht die einjährige Ausbildung, die ältere Quereinsteiger häufig angeboten bekämen, sondern die volle, dreijährige. Als alleinerziehende Mutter zweier Töchter wollte sie eine Vollzeitstelle. Die hat sie jetzt als examinierte Altenpflegerin. Außerdem fördert sie als „Praxisanleiterin“ Auszubildende. Den Schein dafür machte Karatas ein halbes Jahr nach der Prüfung zur Altenpflegerin. Das ging, weil sie Vorkenntnisse im Pädagogischen hatte.
Solche Leute braucht der Geschäftsführer. Aber auch Teilzeitkräfte – mit mehr Köpfen habe man mehr Flexibilität. Im ersten Lehrjahr gibt es hier ca. 1000 Euro, die Fachkraft verdient im ersten Jahr 2625. Es gibt Zulagen, ein Plus auch für die Praxisanleitungen.
Die Bewohnerin Anneliese Otto macht gern mit beim Pressefoto mit Karatas und dem Aufsteh-Lift, auch wenn sie den gar nicht braucht. Der Lift entlastet die Kräfte. Nach dem Foto muss Karatas weitermachen mit der Frühschicht. „Gut, dass wir Sie haben“, sagt Otto. Auf Karatas warten Telefonate mit Ärzten, Termin-Vereinbarungen für Transporte, Dokumentationspflichten, die Übergabe an die Spätschicht. Um 14 Uhr ist für sie Feierabend. An diesem Wochenende arbeitet die examinierte Altenpflegerin, wie an jedem zweiten. „Für mich ist das in Ordnung.“

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