Website-Icon Wolbeck & Münster

Pantomime um „Dr. Cordelier“ in Münster – der Kern des Menschen

Zwei Metamorphosen in der Dunkelheit Münsters

Münster. Film-Sequenzen zucken über die Wand der Hofdurchfahrt in der Harsewinkel-Gasse; eine finstere Gestalt eilt, das Gesicht verbissen – es sind Spuren von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, aber in verfremdeter Form.

Was sich da entfaltet als Filmkonzert, gehört zum Kultursommer 2021 in Münster und ihrem Programm „Herzglut in Münster“. Zu Akkordeon-Klängen, hektisch wie der Film, tanzt eine Person mit Frack und Stock mit der projizierten Gestalt, streift den Frack für ein rotes Kleid ab.

Entwickelt hat die Performance Anja Kreysing, Klangkünstlerin und Akkordeonistin, vom Label „Schwarz-weiss ist die bessere Farbe“ mit Helmut Buntjer, es tanzt die Schauspielerin Carola von Seckendorff von den Bühnen Münster, gefördert vom Kulturamt und der Bundesstiftung Kultur. Die Gestalt ist ein berühmter Schauspieler Frankreichs, Jean-Louis Barrault, geboren 1910. Er spürte in „Das Testament des Dr. Cordelier“ von 1959 auf den Spuren von Jekyll und Hyde dem Wesen des Menschen nach. Es sei die Suche, erklärt Kreysing nach dem enthemmten Kern hinter dem Kleid des zivilisierten Menschen. „Es geht nicht ohne gemeinsamen zivilisatorischen Nenner“, so Kreysings Fazit. Für die Performance hatte sie Barraults Film auf etwa fünf Minuten gekürzt, zur „Essence“ – in die von Seckendorff ihre Pantomime hineinspielen konnte. Sie, sagt die Schauspielerin, habe die Metamorphose interessiert.

Alles technisch Nötige für diese Performance im Rahmen des Kultursommers 2021 „Herzglut“ trägt ein Fahrradanhänger: Akkordeon und Klapphocker, Notebook, ein Lautsprecher, drei Akkus und ein Beamer – Pop-up-Kino. Was noch fehlt, ist eine geeignete Wand und die Aussicht auf Publikum, vorhandenes oder vorbeilaufendes. Das erste findet sich an diesem Samstagabend um die Ecke zwischen den Tischen zweier Restaurants mit Außengastronomie, vor einer Tiefgaragen-Ausfahrt. Das zweite an der Polizeiwache – neben der grandiosen Kulisse der Dominikanerkirche mit Ruine und Gittern spielen Barrault und von Seckendorff ihre schaurige Doppel-Metamorphose, riesengroß. Mehrfach finden sich spontan Interessierte – in der Pandemie hatte die Performance nicht angekündet sein dürfen.

Die mobile Version verlassen