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Notfallfonds: Stadt Münster stockt Etat auf 30 000 Euro pro Jahr auf

Versorgung für Menschen ohne geregelten Zugang zum Gesundheitssystem / Clearingstelle vermittelt viele Ratsuchende in eine medizinische Absicherung

Münster (SMS) Sie sind in ständiger Sorge, ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, weil ihnen dann Entdeckung und Abschiebung drohen: Menschen in Deutschland ohne geregelten Zugang zum Gesundheitssystem. Der Abschreckungseffekt ist derart groß, dass die Betroffenen lieber ganz auf den Arztbesuch und notwendige medizinische Versorgung verzichten. „Anders ist das in der Stadt Münster. Hier haben wir diese Versorgungslücke bereits vor längerer Zeit erkannt – und gehandelt“, sagt Sozialdezernentin Cornelia Wilkens.

Seit Oktober 2016 hat es sich die auch im städtischen Gesundheitsamt angesiedelte Clearingstelle „Klar für Gesundheit“ zur Aufgabe gemacht, möglichst viele Betroffene in eine Krankenversicherung zu vermitteln und in das medizinische Regelversorgungssystem zu integrieren. Das Vorhaben funktioniert: Wer in Münster dringend medizinische Versorgung braucht, aber weder geregelten Zugang zum Gesundheitssystem hat noch ihn in angemessener Zeit bekommen kann, kann Arzt- oder Krankenhausbesuche zunächst finanzieren lassen über einen Notfallfonds. Parallel versucht die Clearingstelle, die Ratsuchenden in die geregelte Gesundheitsversorgung zu integrieren, damit künftige Behandlungskosten aufgefangen werden. Mit Erfolg, wie ein Blick in einen aktuellen Bericht über den Zeitraum von Mitte April 2020 bis Mitte April 2021 zeigt: In zwei Dritteln aller Fälle ist hier eine Aufnahme in die Gesundheitsversorgung geglückt.

Seit 2017 wurden pro Jahr zunächst 25 000 Euro für den Notfallfonds zur medizinischen Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz bereitgestellt. 2020 hat die Politik für eine Erhöhung der finanziellen Mittel auf 30 000 Euro jährlich gestimmt. Mit Ratsbeschluss vom 17. März 2021 gilt diese Erhöhung in den Folgejahren fortlaufend.

Für Oberbürgermeister Markus Lewe ist die Kombination aus Notfallfonds und Clearingstelle ein wesentlicher Beitrag auf dem Weg, die Stadt zu einem Ort von höchster Lebensqualität weiterzuentwickeln: „Münster ist eine solidarische Stadt, auch die Schwächsten der Gesellschaft sind uns wichtig. Deshalb geben wir Obacht, nehmen unsere Verantwortung wahr und kümmern uns.“ Der Fokus, so Lewe weiter, liege auf der sozialen Balance in der Stadtgesellschaft. Insbesondere in Zeiten der Covid-19-Pandemie komme dieser Verantwortung noch einmal eine ganz andere Bedeutung zu: „Wir können es uns weniger denn je leisten, eine ganze Gruppe von der ärztlichen Versorgung auszuschließen.“ 

Inanspruchnahme des Notfallfonds in Münster

Wie richtig und wichtig die Entscheidung war, den Notfallfonds einzurichten, belegen die aktuellen Zahlen: Von Mitte April 2020 bis Mitte April 2021 wurden Behandlungskosten von knapp 9900 Euro für 31 verschiedene Ratsuchende (bei 51 Anträgen) erstattet. Das sind zwar deutlich geringere Kosten als im vorangegangenen Berichtsjahr, wo noch etwas mehr als 22 500 Euro abgerufen wurden. Doch dafür gibt es nachvollziehbare Gründe: „Die deutlich geringeren Kosten bei erhöhter Anzahl Ratsuchender und Anträge sind weitestgehend durch die unterschiedliche Anzahl von Schwangerschaften und Geburten zu erklären“, führt Markus Lewe aus. „Konkret haben wir eine Geburt in diesem Berichtszeitraum zu verzeichnen, im vergangenen Berichtszeitraum waren es aber vier.“

Die Verwaltung erachte die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel daher weiterhin als angemessen. „Wir wollen möglichst allen Ratsuchenden, die keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, zunächst helfen können und statten den Fonds daher großzügig aus. Niemand soll im Notfall ohne Behandlung bleiben müssen. Dennoch ist auch der Vermittlungserfolg der Clearingstelle ein sehr wichtiger Betrag zur medizinischen Versorgung aller in Münster lebenden Menschen“, betont Cornelia Wilkens   

Die erstatteten Beträge im vergangen Berichtszeitraum variierten zwischen neun und 3000 Euro. Bei 38 Anträgen wurde dabei der Gesamtbetrag, bei elf Anträgen lediglich ein Zuschuss übernommen. Dass nur ein Teilbetrag beglichen wurde, ist Abrechnungen geschuldet, die nicht nach dem einfachen Satz gemäß der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte erfolgte. Hier wird noch über eine Kontaktaufnahme zu den jeweiligen Praxen entschieden.

Der mobile Dienst zur Versorgung von Menschen ohne Absicherung wurde im Berichtszeitraum deutlich weniger in Anspruch genommen als zuvor. Das ist dadurch zu erklären, dass coronabedingt weniger Patientinnen und Patienten in diese Sprechstunde kamen und auch die Clearingstelle „Klar für Gesundheit“, die maßgeblich am Verfahren des Notfallfonds beteiligt ist, seltener vor Ort war.

Neben den Behandlungen, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft standen – zirka 30 Prozent der Ratsuchenden beziehungsweise 33 Prozent der Anträge – waren weitere mehrfach auftretende Anlässe Diabetes (fünf Ratsuchende/acht Anträge), Bluthochdruck (drei Ratsuchende/sechs Anträge) sowie psychische und Suchterkrankungen (drei Ratsuchende/fünf Anträge). Zwei Drittel der Ratsuchenden waren Frauen, die meisten der behandelten Patientinnen und Patienten zwischen 25 und 64 Jahre alt.

„Klar für Gesundheit“: Clearingstelle startete 2016 in Münster

Im Oktober 2016 hat die Clearingstelle „Klar für Gesundheit“ in Trägerschaft der gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V., des Caritasverbandes für die Stadt Münster e.V. und dem Gesundheits- und Veterinäramt der Stadt Münster ihre Arbeit aufgenommen. Bei gesundheitlichen Beschwerden suchen die Betroffenen oftmals Einrichtungen der solidarischen Gesundheitsversorgung wie die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung oder den Mobilen Dienst des Hauses der Wohnungslosenhilfe auf. Sofern eine medizinische Behandlung dringend erforderlich ist und seitens der Clearingstelle kein Versicherungsschutz in einem medizinisch vertretbaren zeitlichen Rahmen erreicht werden kann, entstehen nicht abgedeckte Kosten. Für die Beteiligung an der Kostenübernahme dieser Behandlungen greift dann der Notfallfonds der Stadt Münster. Seit Projektbeginn im Oktober 2016 wurden von rund 1000 Ratsuchenden bereits gut zwei Drittel, also zirka 700 Menschen, in eine Krankenversicherung vermittelt, sodass der Notfallfonds in diesen Fällen nicht genutzt werden musste.

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