Website-Icon Wolbeck & Münster

Münsterische Forscher experimentieren mit Vogelgrippeviren

Münster.- 24.02.2006. Volle Konzentration bei Münsters Grippeforschern: ImSicherheitslabor des Instituts für Virologie arbeiten sie fieberhaft daran, die Resistenzproblematik der Vogelgrippeviren in den Griff zu bekommen. Nachdem die Methode bei "sanfteren" Virenstämmen der Vogelgrippe erfolgreich getestet wurde, soll demnächst unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen mit H5N1 experimentiert werden. Das berichtet der Wirtschaftsinformationsdienst wid aus Münster.

Auf der richtigen Spur der Viren

"Wir sind davon überzeugt, auf der richtigen Fährte zu sein", erklärt Prof.
Stephan Ludwig. Der Leiter des Instituts für Virologie an der Uni Münster ist
ausgewiesener Experte für Grippeviren. Sein Trick: Er attackiert nicht das
Virus selbst, sondern verhindert dessen Freisetzung außerhalb der menschlichen
Zelle. "Um diesen Ansatz zu verstehen, muss man wissen, dass Viren sich
generell nur mit Hilfe einer ganzen Maschinerie in ihrer Wirtszelle vermehren
können." "Das ist so ähnlich wie in einer hochkomplizierten Fabrik", erklärt
der Experte. "Wenn man nicht das einfache Ausgangsprodukt, sondern den
komplexen Produktionsprozess stört, legt man die gesamte Fertigung am
effektivsten lahm." Auf diese Weise verlieren die ständigen Veränderungen am
Erbgut, die so typisch für H5N1 und andere Grippeviren sind, ihre Bedeutung.
"Das Virus kann sich maskieren, wie es will – unsere ‚Waffen’ attackieren nicht
das Virus, sondern die für die Virus-Freisetzung entscheidenden Stoffe der
Wirtszelle – und die bleiben immer gleich."

Zusammenarbeit mit Friedrich-Loeffler-Institut auch zu H5N1

Zusammen mit dem Friedrich-Loeffler-Institut erforschen die münsterischen
Virologen die Methode schon seit einiger Zeit mit H7N7, dem für Menschen
weniger gefährlichen Vogelgrippevirus. Jetzt soll mit H5N1 der nächste Schritt
erprobt werden. Dafür müssen die Sicherheitsvorkehrungen nochmals verschärft
werden. Die Arbeiten werden in einem so genannten L3-Labor durchgeführt. Für
die Mitarbeiter bedeutet das: Passieren von mehreren Schleusen,
Kleidungswechsel, Anlegen von Hochsicherheits-Schutzanzügen und virusdichten
Atemschutzmasken. Die Filtermaske erschwert das Atmen merklich und in den
Schutzanzügen wird es unerträglich heiß. Trotzdem müssen die Forscher besonders
aufmerksam und konzentriert mit den hochaggressiven Viren arbeiten. Eine kleine
Unachtsamkeit könnte sie und andere Personen gefährden.

Ziel der Virologen: Signalketten der infizierten Zelle

Die münsterischen Virologen zielen auf Signalketten in der infizierten Zelle,
die das Virus unbedingt für seine Freisetzung aus der Wirtszelle benötigt,
welche aber für gesunde Zellen im Gewebe entbehrlich sind. Mittlerweile konnten
mehrere solcher Angriffspunkte identifiziert werden. Für manche dieser
Zielstrukturen hat die pharmazeutische Industrie schon Wirksubstanzen
hergestellt, die für eine Anwendung gegen Grippe weiterentwickelt werden
könnten. "Das bedeutet natürlich nicht, dass wir in den nächsten Wochen das
Top-Medikament gegen die Vogelgrippe präsentieren können", stellt Ludwig klar.
Nach den Tierversuchen folgen umfangreiche Tests bis hin zu klinischen Studien
am Menschen. Das kann zwar noch einige Jahre dauern, der Ansatz ist jedoch
vielversprechend, da das Virus eine fehlende zelluläre Funktion nicht leicht
ersetzen kann.

"Investition in effektivere Grippemittel lohnt sich"

"Gegen Medikamente, die das Virus direkt angreifen, haben sich schon
gefährliche resistente Varianten gebildet", sagt Ludwig. "Dies kann bei einem
zellulären Angriffspunkt nicht so leicht passieren." Der Experte warnt wegen
der Resistenzproblematik schon seit einiger Zeit davor, sich allein auf die
zurzeit verfügbaren Grippemedikamente Tamiflu und Relanza zu verlassen. "Auch
wenn die derzeit in Europa grassierende Vogelgrippe H5N1 hoffentlich nicht auf
den Menschen übergreift, wird die Grippe auch in Zukunft immer eine Bedrohung
darstellen. Die Grippepandemien des letzten Jahrhunderts resultierten alle aus
einer Vermischung von Vogelgrippe- mit menschlichen Grippeviren. Es lohnt sich
also für Pharmaindustrie und Politik, weiter zu denken und in effektivere
Grippemittel zu investieren", appelliert der Virenfachmann.

Die mobile Version verlassen