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Märchen im Nationalsozialismus: von Tätern und Opfern geliebt

Oliver Geister zeigte in seinem Vortrag in Wolbeck über ein beabsichtigtes Buch zu Märchen in der NS-Zeit auch dieses Bild mit dem Gebrüdern Grimm beim Sammeln von Märchen. Foto: A. Hasenkamp.

Oliver Geister zeigte in seinem Vortrag in Wolbeck über ein beabsichtigtes Buch zu Märchen in der NS-Zeit auch dieses Bild mit dem Gebrüdern Grimm beim Sammeln von Märchen. Foto: A. Hasenkamp.

Münster-Wolbeck. Märchen sind ambivalent, also zwiespältig oder doppeldeutig, sagt Dr. Oliver Geister: das gelte besonders für „Märchen in dunkler Zeit“, womit er die Zeit des Nationalsozialismus meint. Märchen, „sie werden von Tätern wie Opfern geliebt.“ Am Freitag stellte er seine Gedanken, Forschungsergebnisse und Pläne für ein Buch in der Buchhandlung „Buchfink“ vor.

Adolf Hitler sah gerne den Film „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, aber mit derselben Geschichte ist das Überleben von Dina Gottliebova verbunden: Sie malte im KZ ein Motiv daraus auf eine Kinderbaracke; das sah Josef Mengele, der für seine Versuche an Menschen einzelne Maler suchte: Gottliebova überlebte. Joseph Goebbels schrieb zumindest ein Märchen: Geister hat es gelesen und meint: „Es lohnt sich nicht“. Einige KZ-Häftlinge schrieben Märchen, um ihren Kindern etwas zu hinterlassen.

Auch Anne Frank verfasste und erzählte Märchen. Das Märchen „Der kleine Prinz“ stammt ebenso aus dem Krieg; sein Autor fiel ihm zum Opfer. Der Umgang des NS-Regimes mit Märchen war propagandistisch, war zum Teil Durchhalte-Propaganda für junge Soldaten, die zum Kriegsende „verheizt“ wurden. Im Märchen „Rumpelstilzchen“ wurde die Hauptfigur als Jude gedeutet – „absurd“.

Märchen seien offen für Ideologie und spendeten Hoffnung. „Täter und Opfer lasen die gleichen Märchen.“ Ein Buch ist beabsichtigt, sagt der Autor mehrerer Bücher mit dem Thema Märchen, aber noch nicht geschrieben. Wann es fertig wird, ist offen, auch der Verlag. Nach Geisters Recherchen gibt es hier eine Lücke in der Literatur. Denn es sind viele Studien zu einzelnen Aspekten erschienen, aber keine Gesamtdarstellung. Anders ist es bei Märchenverfilmungen aus der NS-Zeit. Der Termin in der Buchhandlung hatte für Geister auch den Zweck, „Rückmeldungen“ aus dem Publikum zu gewinnen, vor dem „einsamen Schreibprozess“.

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