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Journalist beleuchtet deutsche Befindlichkeiten am 60. Jahrestag der Charta der deutschen Vertrieben

Münster-Wolbeck. Hauptpunkt der Gedenkveranstaltung zum Gedenken an die Verkündung der „Charta der deutschen Vertriebenen“ in Stuttgart am 5. August 1950 war im Drostenhof zu Wolbeck die Rede eines Holländers. „Sie sind alle ihretwegen gekommen“, meinte nach dem Vortrag über „60 Jahre Charta der deutschen Vertriebenen Roswitha Möller vom Ortsverband Münster des BdV zu Hubert Maessen.

„Fremd wie ein Russe oder Türke“ / Deutsche unversöhnt mit sich selbst

Der gebürtige Holländer und bekannte Radio-Journalist des WDR war Hauptredner der Gedenkveranstaltung, an der im leicht überfüllten Rittersaal des Drostenhofes in Wolbeck, noch Heimat des Westpreußischen Landesmuseums (WLM), auch der münsterische Bürgermeister Holger Wigger (SPD), Dr. Dieter Beese, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Münster der Evangelischen Kirche von Westfalen, und der Landtagsabgeordnete Josef Rickfelder (CDU) auf Einladung des BdV und des Kulturreferates Westpreußen des WLM teilnahmen.
Jeder dritte Mensch in Münster habe Wurzeln im Osten, so Roswitha Möller vom Ortsverband Münster des BdV, in NRW etwa jeder vierte. Sie erinnerte an die Strapazen der Vertreibung, die viele nicht überlebten, und an die verbreitete Unfreundlichkeit auch im Münsterland gegenüber den mittellosen, meist protestantischen Menschen, die nun Platz, Versorgung und Teilhabe wollten. Freundliche Anteilnahme war die Ausnahme; Zeitzeugen erinnern sich, wie Vertriebene wie Sklaven von den wartenden Bauern auf ihre Leistung taxiert wurden. Das Buch „Neuanfang in Münster“ dokumentiert diese Zeit. Mit Leistung hätten Vertriebene sich Anerkennung erworben – im Osten sei übrigens der Stand der Technik in der Landwirtschaft „deutlich weiter“ gewesen.
In dieser Zeit des Elends habe es „schier übermenschlicher Kraft“ bedurft, so Möller, sich „ideelle Ziele zu setzen“. Die Charta spricht von einem „freien und geeinigten Europa“, in dem „die Völker ohne Furcht und Zwang leben können“.

Wigger betonte die damalige Herausforderung an Münster, das zu 70 Prozent zerstört war, „es erschien zunächst unmöglich.“ In einer gemeinsamen Aufbauleistung hätten die Vertriebenen Münster mitgestaltet und um ihr kulturelles Erbe bereichtert; die Charta sei ein „frühes Zeichen der Versöhnung“ und „in ihrer Zeit beispiellos“. Auch Rickfelder lobte die Charta als „großartiges Dokument der Versöhnung“ nach dem Krieg Hitlers, eine „fast unvorstellbare Leistung“. Gerade Deutschland solle sensibel sein, wenn irgendwo auf der Welt wieder solche Schicksale entstehen.

„Ich hoffe, Sie vertragen auch heute ein offenes Wort“, hob Maessen an, der schon eine Art Stammgast beim BdV ist, zielte dann allerdings auf den Umgang mit den Vertriebenen. Sie seien „in Wahrheit wie Ausländer gewesen“, „fremd wie ein Russe oder Türke“.
Immer noch nicht erreicht sei die volle Integration der Vertriebenen, „im Großen und Ganzen“ sei die Politik des BdV hier „nicht erfolgreich gewesen, so Maessen kritisch zu den Nicht-Vertriebenen: „Unversöhnt sind die Deutschen mit ihren Vertriebenen, also mit sich selbst“, und: „Für die Nazis büßen mussten die Vertriebenen“, so Maessen, um so bequemer habe man verdrängen können. Die Heimatpflege der Vertriebenen sei häufig als „lächerlich bis degoutant“ wahrgenommen worden. „Die Vertriebenen gingen den ‚richtigen‘ Deutschen schwer auf die Nerven.“ Bis in das linke Lager hinein höre man zwar auch andere Stimmen – das falle aber mit dem Wegsterben der Generation zusammen: „Im Museum ruht man sanft.“
Und anlässlich des Jahrestages der Charta habe es nun „genau getimete Angriffe“ gegeben. Der Kommentar einer Tageszeitung aus Berlin zeige eine „unversöhnliche Feindschaft“. Dabei zeigten sich inzwischen in den Leserbriefen jenes Blattes auch gegenläufige Ansichten.
Den Verdienst durch den Verzicht auf damaligen Rache im deutsch-polnischen Verhältnis wertete Maessen hoch. Deutsche Vertriebene habe es damals etwa zweimal so viel gegeben wie Palästinenser, die bis heute große Sprengkraft hätten. „Das ist eine Sache, für die man ‚Danke!‘ sagen muss.“ Die Vertriebenen hätten so „wesentlich zur Bewahrung des Friedens beigetragen“. Sie haben „keinen Terror gemacht“. Dass wir so lange Frieden in Europa haben, dafür muss man den Vertriebenen danken. Europa schuldet Ihnen Dank“, sagte er zu den Menschen im vollen Rittersaal.

Ein Stück Heimat brachte die Musik von Flügel, Querflöte und Geige. Italienisch hatten die Musiker begonnen, beim leisen Flügel-Spiel von „Blaue Berge, grüne Täler“ und dem Pommern-Lied „Wenn in stiller Stunde“ konnte man viele Besucher der Feierstunde mitsummen und einige leise singen hören.
Der Gedenkveranstaltung folgte eine Dia-Reportage über Westpreußen, erstellt in einer Kooperation des WLM mit seinen Partnermuseen in Polen.

PS: Zum „Tag der Heimat 2010“ spricht am 26.09.2010 im Festsaal des Rathauses am Prinzipalmarkt um 10.30 Uhr Regierungspräsident Dr. Peter Paziorek zum Motto des Tages: „Durch Wahrheit zum Miteinander“. Im Anschluss lädt der Veranstalter, der Bund der Vertriebenen Ortsverband Münster, zum Gang zum Vertriebenendenkmal am Servatiiplatz.

Der gebürtige Holländer und bekannte Radio-Journalist des WDR war Hauptredner der Gedenkveranstaltung, an der im leicht überfüllten Rittersaal des Drostenhofes in Wolbeck, noch Heimat des Westpreußischen Landesmuseums (WLM), auch der münsterische Bürgermeister Holger Wigger (SPD), Dr. Dieter Beese, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Münster der Evangelischen Kirche von Westfalen, und der Landtagsabgeordnete Josef Rickfelder (CDU) auf Einladung des BdV und des Kulturreferates Westpreußen des WLM teilnahmen.

Jeder dritte Mensch in Münster habe Wurzeln im Osten, so Roswitha Möller, in NRW etwa jeder vierte. Sie erinnerte an die Strapazen der Vertreibung, die viele nicht überlebten, und an die verbreitete Unfreundlichkeit auch im Münsterland gegenüber den mittellosen, meist protestantischen Menschen, die nun Platz, Versorgung und Teilhabe wollten. Freundliche Anteilnahme war die Ausnahme; Zeitzeugen erinnern sich, wie Vertriebene wie Sklaven von den wartenden Bauern auf ihre Leistung taxiert wurden. Das Buch „Neuanfang in Münster“ dokumentiert diese Zeit. Mit Leistung hätten Vertriebene sich Anerkennung erworben – im Osten sei übrigens der Stand der Technik in der Landwirtschaft „deutlich weiter“ gewesen.

In dieser Zeit des Elends habe es „schier übermenschlicher Kraft“ bedurft, so Möller, sich „ideelle Ziele zu setzen“. Die Charta spricht von einem „freien und geeinigten Europa“, in dem „die Völker ohne Furcht und Zwang leben können“.

Wigger betonte die damalige Herausforderung an Münster, das zu 70 Prozent zerstört war, „es erschien zunächst unmöglich.“ In einer gemeinsamen Aufbauleistung hätten die Vertriebenen Münster mitgestaltet und um ihr kulturelles Erbe bereichtert; die Charta sei ein „frühes Zeichen der Versöhnung“ und „in ihrer Zeit beispiellos“. Auch Rickfelder lobte die Charta als „großartiges Dokument der Versöhnung“ nach dem Krieg Hitlers, eine „fast unvorstellbare Leistung“. Gerade Deutschland solle sensibel sein, wenn irgendwo auf der Welt wieder solche Schicksale entstehen.

„Ich hoffe, Sie vertragen auch heute ein offenes Wort“, hob Maessen an, der schon eine Art Stammgast beim BdV ist, zielte dann allerdings auf den Umgang mit den Vertriebenen. Sie seien „in Wahrheit wie Ausländer gewesen“, „fremd wie ein Russe oder Türke“.

Immer noch nicht erreicht sei die volle Integration der Vertriebenen, „im Großen und Ganzen“ sei die Politik des BdV hier „nicht erfolgreich gewesen, so Maessen kritisch zu den Nicht-Vertriebenen: „Unversöhnt sind die Deutschen mit ihren Vertriebenen, also mit sich selbst“, und: „Für die Nazis büßen mussten die Vertriebenen“, so Maessen, um so bequemer habe man verdrängen können. Die Heimatpflege der Vertriebenen sei häufig als „lächerlich bis degoutant“ wahrgenommen worden. „Die Vertriebenen gingen den ‚richtigen‘ Deutschen schwer auf die Nerven.“ Bis in das linke Lager hinein höre man zwar auch andere Stimmen – das falle aber mit dem Wegsterben der Generation zusammen: „Im Museum ruht man sanft.“

Und anlässlich des Jahrestages der Charta habe es nun „genau getimete Angriffe“ gegeben. Der Kommentar einer Tageszeitung aus Berlin zeige eine „unversöhnliche Feindschaft“. Dabei zeigten sich inzwischen in den Leserbriefen jenes Blattes auch gegenläufige Ansichten.

Den Verdienst durch den Verzicht auf damaligen Rache im deutsch-polnischen Verhältnis wertete Maessen hoch. Deutsche Vertriebene habe es damals etwa zweimal so viel gegeben wie Palästinenser, die bis heute große Sprengkraft hätten. „Das ist eine Sache, für die man ‚Danke!‘ sagen muss.“ Die Vertriebenen hätten so „wesentlich zur Bewahrung des Friedens beigetragen“. Sie haben „keinen Terror gemacht“. Dass wir so lange Frieden in Europa haben, dafür muss man den Vertriebenen danken. Europa schuldet Ihnen Dank“, sagte er zu den Menschen im vollen Rittersaal.

Ein Stück Heimat brachte die Musik von Flügel, Querflöte und Geige. Italienisch hatten die Musiker begonnen, beim leisen Flügel-Spiel von „Blaue Berge, grüne Täler“ und dem Pommern-Lied „Wenn in stiller Stunde“ konnte man viele Besucher der Feierstunde mitsummen und einige leise singen hören.

Der Gedenkveranstaltung folgte eine Dia-Reportage über Westpreußen, erstellt in einer Kooperation des WLM mit seinen Partnermuseen in Polen.

PS: Zum „Tag der Heimat 2010“ spricht am 26.09.2010 im Festsaal des Rathauses am Prinzipalmarkt um 10.30 Uhr Regierungspräsident Dr. Peter Paziorek zum Motto des Tages: „Durch Wahrheit zum Miteinander“. Im Anschluss lädt der Veranstalter, der Bund der Vertriebenen Ortsverband Münster, zum Gang zum Vertriebenen-Denkmal am Servatiiplatz.

Fotos von der Gedenkveranstaltung von Fotograf Andreas Hasenkamp zum Ansehen und Bestellen in der Rubrik „Wolbeck“

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