Intensiv gespielter Klassiker der menschlichen Existenz

Intensiv gespielter Klassiker der menschlichen Existenz
Eng beieinander sind sie den anderen die Folterknechte ihrer Hölle – Alexandra Loebl, Christina Winkelmann und Dominik Rohlfink. Foto: A. Hasenkamp, Fotograf in Münster.

Zuletzt aktualisiert 10. Oktober 2016 (zuerst 8. Oktober 2016).

Münster-Hiltrup. Eine intensive Inszenierung eines Schauspiel-Klassikers des Existentialismus bot am Wochenende das Theaterlabor im Kulturbahnhof Hiltrup. Drei Tote finden sich in Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ zusammen, in der Hölle, die sie selbst sich bereiten. Nett ist der Kellner (Matthias Liebl), zeigt den Weg und die Klingel; einmal kann der Journalist Garcin noch lachen in dieser Ewigkeit.

Gemeinsam triezen die lesbische Inès (Christina Winkelmann), die ein Ehepaar trennte und in den Tod führte, und Garcin die Kinds-Mörderin Estelle – sichtlich nicht aus Empörung oder Aufklärungseifer, nein aus purer Lust am Peinigen.
Dann geht es Garcin (Dominik Rohlfink) an seine Lebenslüge, dem Redakteur eines pazifistischen Blattes, der vor der Einbestellung zum Militär sich schnöde zur Grenze flüchtete und nun mit dreizehn Einschusslöchern im Leib in der Hölle sitzt, an seine von ihm tyrannisierte Frau denkt und besorgt um sein Ansehen die verratenen Kollegen im Auge behält.
Im Schlaf von der von ihr Verführten zu Tode gegast, pirscht sich Inès in der Hölle erneut an eine Geschlechtsgenossin heran, die jedoch männerfixiert agiert und dem anerkennungssüchtigen Garcin gern nach dem Munde redet – eine Zweckliaison, die Inès flugs entlarvt und implodieren lässt. So quälen immer einer oder zwei den dritten: Die Hölle, das sind die anderen. Auch, wenn sich mal zwei nur mit sich beschäftigen: „Ich bin auch noch da!“

Schlicht, ja karg ist die Bühnen-Ausstattung im Vielzweck-Raum des Kulturbahnhofs, und besonders wichtig ist, was fehlt. Darüber informieren die Toten,  die sich selbst lieber die  „Abwesenden“ nennen – Garcin: „Keine Betten? Man braucht also keinen Schlaf?“ Keine Augenlider – „ich werde also mit offen Augen leben müssen?“ Und keine Spiegel für Estelle.
Aber auch keine Angst: „Angst konnte man vorher haben als wir noch Hoffnung hatten.“
„Ein bisschen eingekürzt“ habe er das Stück, sagt Regisseur, Dr. Enrico Otto. Auf eine gute Stunde konzentrierter Hölle. Um so authentischer müssten die Charaktere gespielt werden: „Das Konzept könnte ich nicht mit irgendwelchen Laien machen“, sagt er. Die Schauspieler hätten „viel Spielerfahrung“. Neu auf  dieser Bühne ist Alexandra Loebl, ebenfalls eine erfahrene Schauspielerin. Aber es war „ihre erste große Rolle im Theaterlabor“.
Und etwas geändert hat Otto das Drama „Geschlossene Gesellschaft“ auch: „Wir haben hier alles“, sagt der Höllen-Kellner, „Inder, Afghanen, Warendorfer“.
Etwa fünfzig Premieren-Gäste spendeten der großen Leistung verdienten Applaus.