Koalitionsvertrag: Doch eher „gesprenkelt“ als „rot“

Zuletzt aktualisiert 9. Oktober 2020 (zuerst 8. Februar 2018).

„So rot war schwarz noch nie“, behauptet der Kommentator Claus Strunz auf RTL II und meint den Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU. „Klare Worte“, lobt ihn ein User auf Facebook. Wirklich?

Ein Blick auf Strunz‘ Behauptungen zeigt ein nuanciertes Bild.

Zu Infrastruktur steht allerhand im Koalitionsvertrag … man müsste mal reinschauen. Strunz behauptet, von einer „besseren Infrastruktur“ etc. sei „nichts zu hören“. Richtig, es steht da zu lesen ?; an über 60 Stellen. Weiter: Bei der Umsetzung von EU-Verordnungen steht das 1:1-Prinzip drin (2555) – der gleiche Umbruch wie beim Regierungswechsel in NRW von SPD/Grüne zur CDU. Das sind nur einige Funde auf die Schnelle. So „klar“ rot oder auch: simpel wie der Herr Strunz meint ist die Situation wohl doch nicht. Beim Thema Flüchtlings-Nachzug soll sich eher die Union durchgesetzt haben – spricht Herr Strunz davon? Er behauptet, von der „effektiven Eindämmung der Migration“, „einer der eigentlichen Zukunftsaufgaben“, sei nichts zu hören. Dabei ging das zuständige Ressort an die CSU; Innenminister wird Horst Seehofer. Eine insofern seltsame Bewertung.

„Ministerium“ als General-Kriterium für Durchsetzung?

Dito „Informationsministerium“: Das habe Schulz gefordert, nun gebe es keines – pfui. Hat Herr Strunz nachgeschaut, was von den angedachten Aufgaben nun im Koalitionsvertrag steht? Mit einem „Ministerium“ lässt sich einfach, griffig Wahlkampf machen, ein Schwerpunkt setzen.

Dass sich die SPD auf ganzer oder sehr breiter Linie durchgesetzt hätte, in dieses Bild passt das Ende für Außenminister Sigmar Gabriel nicht so ganz hinein. Hatte er nicht recht gute Umfrage-Werte? Ob sein mutmaßlicher Abgang aus dem zukünftigen Kabinett ein Sieg für Rot oder für Schwarz oder überhaupt für jemanden ist, kann ich nicht beurteilen.

Die Attacke auf das kategorische „Nein“ des Herrn Schulz zu einer GroKo-Beteiligung kurz nach der Bundestagswahl ist wohlfeil, nicht wirklich „frischer Kaffee“, sondern kalter. Mit dem Inhalt des Koalitionsvertrags hat es nicht direkt zu tun, oder?  Aber eingängig ist es. Aber in der Tat dürfte das Resultat der Glaubwürdigkeit von Herrn Schulz schaden, auch generell die Politiker-Verdrossenheit stärken.

Nun nahm Schulz Abstand vom Kabinett. Wird die SPD Martin Schulz als Entscheider vermissen? „Klare“ Worte hat er mehrmals gewählt, zugleich grobe, apodiktische, überzogene. Gehalten hat er sich nicht daran, er ruderte zurück oder herum. Sich immer wieder als wortbrüchig zu präsentieren, das hat lange keiner so geschafft und so schnell. Das Image als „Umfaller-Partei“, dass die FDP sich langwierig erworben hatte, hat Schulz rasant produziert.

Resümee zum Koalitionsvertrag

„So rot war schwarz noch nie“, behauptet der Kommentator: Es sieht wohl eher gesprenkelt aus im Blick auf Schwarzes und Rotes. Und dass man auch auf die Aufteilung zwischen CDU und CSU schauen könnte, kommt beim Kommentator auch nicht vor.

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Link-Liste zu Kommentaren aus der Politikwissenschaft

Interview Everhard Holtmann, Politikwissenschaftler, zum Koalitionsvertrag

https://www.podcast.de/episode/377214148/Interview+Everhard+Holtmann%2C+Politikwissenschaftler%2C+zum+Koalitionsvertrag/

Interview mit Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke im Dlf

http://www.deutschlandfunk.de/regierungsbildung-eine-grosse-koalition-die-den-namen-nicht.694.de.html?dram:article_id=401696

Stellungnahmen von Interessenvertretern aus der Wirtschaft

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