Geburtstag lässt Bürgermeister verzweifeln

Sendenhorst. Das Drama sturköpfiger Charaktere spitzt sich ausgerechnet in der als harmlosesten Programmpunkt erwarteten Geburtstags-Ansprache des Bürgermeisters zu. Das ist nicht die einzige überraschende Wendung des von Landjugend und Landvolk Sendenhorst aufgeführten plattdeutschen Theaterstücks „De 75. Geburtsdag“, dessen Premiere am Samstag in der Aula der Realschule Sendenhorst stattfand. In den immer wieder im Keim erstickten Anläufen des schmalzigen Würdenträgers, zunehmend von durch wachsende Verzweiflung ausgelösten Schnaps-Konsum behindert, gerät der Opa endlich, wie er es hoffte, zur Hauptperson – doch mit einer von ihm gewiss unerwünschten Mitteilung. Geschickt eingestreut hat das Schauspiel-Team lokalpolitische Aktualität. Und dann entlädt sich die Wende des Dramas, die an überraschender Stelle zu Harmonie führt und zugleich Vater und Mutter in finaler Verzweiflung vereint. Hier jagen sich die Pointen, auf die das Stück in drei Akten hintrieb.
Geburtsdag in SendenhorstSo unterschiedlich-unverträglich die Charaktere sind, so teilen sie sich eins: eine große schauspielerische Leistung. Da stimmen Gestik, Mienenspiel und Tonfall perfekt zum wohldurchdachten, nur gelegentlich Längen aufweisenden Stoff. Ohne dass es einen Regisseur gegeben hätte. Das Team unterstütze sich wechselseitig dabei, die Rollen herauszuarbeiten, sagte Rolf Nettebrock, der seit 1997 mitspielt und in diesem Jahr die Ansage für den verhinderten Paul Hiemann-Hues übernahm.
Matthias Steinhoff als Hausherr geht ganz auf in der Rolle des an diesem Festtage ganz dem Trunk verfallenen Ehemanns und Sohns, geplagt von seiner Frau. Die verkörpert Barbara Untiedt in der wohl anstrengendsten Rolle des Stückes konsequent und glaubwürdig – den Hausdrachen mit klaren, strengen Vorstellungen von einer ehrenwerten Familie und dem Tun und Lassen der anderen. „Du bleibst hier sitzen und freust Dich!“, wird die widerspenstige Jubilarin beschieden, die gegen den „Kukident-Express“ aufbegehrt.
Theaterstück in SendenhorstUnd die Hausfrau leidet ihrerseits gewaltig unten den auch zum 75. Geburtstag und vor Gästen hemmungslos ausgelebten Eskapaden von Schwiegervater und -mutter und deren rätselhaftem Zerwürfnis. Die beiden haben gerochen, dass jemand sie abschieben will. So gehen Anne Quas – auch bei ihr leistete Jane Poppenborg (Maske) ganze Arbeit – und Schwerenöter Klemens Witte als Opa ihren Mitmenschen nach Kräften auf die Nerven und an die Torte. Teils beruhigend als die einzig vernünftigen Menschen dieses Tollhauses, teils mit weiteren Pointen bereichern Marion Leifert als Tochter und die dem Nachnamen „Häßlich“ so wenig entsprechende charmant-kokette Nachbarin Christine Schulze Tergeist in ihrem ersten Auftritt in der Theatergruppe das Geschehen auf hinreißende Art. Die Nachbarin muss auf Opas ganz besonderem Auftrag die Ehefrau daran erinnern, dass sie einen attraktiven Mann hat.
In dieses Tohuwabohu tritt noch „de niee Pastor“. Stefan Benning mimt ihn köstlich, der zunächst wie aus dem Klischee geschnitten erscheint, doch erstaunliche Wandlungen durchmacht.
Die Premiere fand traditionell nicht vor vollem Saal statt. Die Mundpropaganda der begeisterten Zuschauer dürfte die Vorstellungen am kommenden Samstag (19.30 Uhr) und Sonntag (15 und 19.30 Uhr) füllen.