Dreißigjähriger Krieg: Peter Wilson sieht weiter Forschungsbedarf

Zuletzt aktualisiert 21. Juni 2021 (zuerst 11. November 2017).

Diskussion im Landesmuseum in Münster

Münster (agh). Einsichten in das Wesen des Dreißigjährigen Krieg versprach der Dialog zweier Größen der Historiographie am Freitagabend im LWL-Museum für Kunst und Kultur: Den britischen Historiker Peter H. Wilson befragte Barbara Stollberg-Rilinger, Professorin im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der WWU. 2009 war Wilsons „Thirty Years War“ erschienen, nach vielen Übersetzungen gibt es nun einen deutsche, gestemmt von drei Übersetzern für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Der Dialog füllte den Saal.

Auf Lehren für Heute bezog sich schon der Gastgeber, Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold, auf Fragen des Einsatzes von Gewalt, „um vermeintlich Frieden zu erreichen“.

Religion sei einigen Akteuren sehr wichtig gewesen, aber nicht den zentralen, urteilt Wilson. Heerführer des katholischen Kaisers sei ein Calvinist gewesen, einer seiner Parteigänger ein Protestant: Mit Hilfe des Kriteriums Religion allein sind die Parteizugehörigkeiten nicht erklärbar. Die meisten Akteure seien „eher pragmatisch“ gewesen, hätten begrenzte Ziele verfolgt, nämlich politische, so Stollberg-Rilinger. Moderate versus Militante lautete der Unterschied, „etwas, das uns heute ganz furchtbar bekannt vorkommt“. Dennoch sei die Trennlinie Religion seit dem 19. Jahrhundert genutzt worden, um die Darstellung zu vereinfachen.

„Äußerst vorsichtig“ zu sein empfiehlt Wilson bezüglich der von Stollberg-Rilinger aufgeworfenen Frage nach Parallelen zum Geschehen in der islamischen Welt: Sie habe „keinen Westfälischen Frieden erlebt, auch nicht die Trennung von Politik und Religion“. Die Anführer in Europa hätten immer wieder Zweifel gehabt, ob denn Gott wirklich auf ihrer Seite sei, und Angst vor dem Vertun einer Friedens-Chance.

Die 1648 gefundenen Lösungen lagen schon zu Beginn des Krieges auf dem Tisch, so Wilson, eine Kette von Fehlentscheidungen lag dazwischen in einem Krieg, der sich selbst nährte.

Der „Westfälische Friede“ steht vielfach als Kürzel für den Beginn eines Systems souveräner Staaten. Das habe sich jedoch erst später durchgesetzt, merkt Wilson an. Durchgesetzt habe sich „ein raffinierter Verfassungsmechanismus“, es sei nicht mehr über Wahrheit gestritten worden, sondern um Besitztümer wie Ländereien, in Rechtsstreiten. „Es ging nicht mehr um Wahrheit“, die Religion sei aus der Politik herausgezogen worden. Toleranz sei das nicht gewesen, merkt Stollberg-Rilinger an, geduldet wurde, wenn es nicht mehr anders ging. Der für sein Werk vielfach gelobte Wilson ist Brite, darauf lenkt Stollberg-Rilinger den Blick; es sei kein Zufall, dass er ein solches Werk vorgelegt habe: England stand bei diesem Krieg am Rande.

Ein Schlusspunkt der Forschung sei nicht erreicht, so Wilson: „Es gibt noch viel zu tun“, betont er zweimal an diesem Abend.