Deutsche Schüler erleben den Wahlkampf in den USA

Münster. Ganz aus der Nähe erleben die Schüler den Wahlkampf. Ein Jahr sind sie dort, organisiert von "Christian Youth Exchange" aus Wolbeck. Sie kommen aus Warendorf, Würzburg, Wolbeck, Albersloh, Hiltrup, Ennigerloh und Everswinkel. Die Gymnasiasten besuchen in den Bundesstaaten Tennessee, Georgia und Alabama Privatschulen, häufig solche mit christlichem und katholischem Bezug im Namen.

Keiner der drei Staaten des amerikanischen Südostens zählt zu den besonders heiß umkämpften großen "Pendelstaaten", die wahlentscheidend sein dürften. Historisch neigen alle drei zur "Grand Old Party", der Republikanischen Partei. Das spiegelt sich auch in den Beobachtungen der Deutschen. Weit mehr als in Deutschland helfen "normale" amerikanische Wähler ihren Kandidaten, erfuhr Max Mense in Tennessee. "Extrem viele haben selbst kleine Plakate und Aufsteller in ihren Gärten". Aber es seien weniger die Präsidentschaftskandidaten auf den Plakaten, berichtet Philipp Schuster aus Huntsville, Alabama: "Dafür hat eine Vielzahl von Haushalten ein Plakat von einem lokalen Kongressmitglied im Vorgarten hängen". So wird der Vorgarten zum Seismographen: "Im Süden dominiert klassischerweise die Republikanische Partei die Vorgärten, doch dieser stark republikanische Teil der USA scheint mehr und mehr Risse zu kriegen, da vereinzelt auch außerhalb der Städte manchmal demokratische Aufsteller zu sehen sind", so Mense.

Wirtschaftsfragen sind in den Fokus der Amerikaner gerückt, und mit ihnen die Lösungen der Kandidaten, beobachtete auch Juliane Haves. Andere kennten die Wahlprogramme kaum oder gewichteten anders, haben andere Schüler beobachtet: "So scheint für meinen Gastvater das Wichtigste im Parteiprogramm zu sein, dass Schwule weiterhin nicht heiraten dürfen." Dass die USA doch kein Schmelztiegel sind, daran erinnert dieser Ausspruch einer Großmutter aus Tennessee: "Ich wähle keinen, der Obama im Namen hat." Das sage sie jedem.

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Der Wahlkampf drängt auch in die Schule, und das nicht nur als Gegenstand des Unterrichts. So empfiehlt ein Geschichtslehrer regelmäßig seine Lieblingspartei. Arielle Deitermann muss "hin und wieder als Hausaufgabe die Reden von Obama oder McCain und den anderen Politikern anhören, um dann über die möglichen Auswirkungen, die Eindrücke der Kandidaten und die Themen diskutieren zu können". In Juliane Haves' Schule gibt es eine Wahlkampf-Simulation.

In den Familien ist der Wahlkampf teils häufig, teils gar kein Thema; einige haben ihren Kandidaten schon gekürt und sprechen nicht mehr darüber. Andere wiederum wollen des Öfteren wissen, wie man im Ausland darüber denkt, erzählen Cornelia Dorsel aus Tennessee und Carla Dreismann aus Georgia.

Zählt die deutsche Meinung? Teils, so Max Mense, werde nur aus Höflichkeit gefragt. Die Amerikaner interessierten sich schon dafuer, was man in Deutschland denkt, "es ist ihnen allerdings egal wenn wir anders denken als sie", so David Winter. "Zum Glück wählen die Europäer nicht", war eine Reaktion auf den Zustrom zu Obamas Auftritt in Berlin, erzählt Christopher Thale.

Das deutsche Interesse wundert viele Amerikaner, berichten Laura Semmler und Henning Roos aus Nashville: Sie fragen "häufig nach der Meinung der Deutschen, und sind überrascht zu hören, dass auch die Menschen in Europa die Präsidentschaftswahlen gespannt mitverfolgen".

•    Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels war beim Kürzen eine missverständliche, falsche Zuordnung entstanden. Ich bitte um Entschuldigung für diesen Fehler. Andreas Hasenkamp