China: Demokratisierung durch Handel?

Lässt sich Demokratie in China durch mehr Handel fördern? Diese Frage erörterte Dr. Miao-ling Hasenkamp, gebürtige Taiwanerin und Politikwissenschaftlerin, in einem Abendvortrag im Stadtweinhaus am 27. Oktober.

Vortrag im Stadtweinhaus zeigt Schwierigkeiten

Hasenkamp zeichnete ein nüchternes China-Bild zwischen Wirklichkeit und Illusionen. Chinas wirtschaftliche Reformen seit dem Ende der siebziger Jahre haben mehr Wohlstand und eine Mittelschicht geschaffen. Entsprechende Veränderungen des politischen Systems seien ausgeblieben. Die jüngere Führungs-Generation habe unter Präsident Hu Jintao ihre autoritäre Politik fortgesetzt. Ihnen sei es gelungen, das Machtmonopol der Kommunistischen Partei (KP) zu bewahren. "Bislang konnte die KP ihre Legitimität aus ihrer wirtschaftlichen Kompetenz beziehen und erweist sich als Garant innenpolitischer Stabilität." Dennoch werde es für die Partei immer schwieriger, Defizite und Repressalien mit "Chinas besonderer Situation" zu rechtfertigen oder als "politisch sensibel" zu verschweigen.
Unmut in der Bevölkerung erregten besonders Missstände wie Korruption und Behördenwillkür. Aufstände mit mehreren Tausenden Beteiligten sind häufig, so Hasenkamp. Die lokalen Behörden unterdrückten sie mit der Hilfe von Paramilitär und bewaffneter Polizei – schlechte Vorboten für eine Demokratisierung. Auf demokratisierende Effekte des Internets solle man nicht zu sehr setzen, so die Politikwissenschaftlerin. "Das Regime hat dank der Informationstechnik, auch mit der Hilfe großer amerikanischer Internet-Anbieter (Yahoo, Google und Microsoft) eine raffinierte restriktive Internet-Politik entwickelt, welche Überwachung zum Ziel hat." China hat das größte Gefängnis für Internet-Dissidenten der Welt. Des Weiteren erwähnte Hasenkamp den erbitterten Kampf in den Provinzen Xinjian (Uigurien) und Tibet um die Bewahrung ihrer politischen und kulturellen Identität.
Dennoch lassen sich einige Zeichen für eine entstehende Zivilgesellschaft erkennen, so die Politikwissenschaftlerin. Neu sei, dass Intellektuellengruppen und lokale Initiativen zusammenarbeiten, obwohl der Staat dafür mit Gefängnis droht. Hier sah Hasenkamp Chancen für westliche Regierungen und Nichtregierungsorganisationen. Die Themen der heftigen Diskussion reichten von zunehmender Militarisierung, Chinas großem Energie-Bedarf und seinen geopolitischen Folgen, der Zwangsarbeit in schätzungsweise tausend Umerziehungslagern bis hin zu Potenzial und Perspektiven einer chinesischen Demokratie.
Der Vortrag wurde vom Ausländerbeirat der Stadt Münster und der Gesellschaft für bedrohte Völker/Regional-Gruppe Münster (GfbV) anlässlich der interkulturellen Woche 2005 organisiert.