Avantgardisten aus zwei Epochen im Chor-Konzert

Avantgardisten aus zwei Epochen im Chor-Konzert
Konzert des Ensemble "Seicento vocale" in der Kirche St. Clemens in Münster-Hiltrup. Foto: A. Hasenkamp.

Zuletzt aktualisiert 30. März 2022 (zuerst 27. März 2022).

Ensemble „Seicento vocale“ konzertiert in St. Clemens in Hiltrup

Münster-Hiltrup. Was Gesang Komposition hoher künstlerischer Schöpferkraft mit tiefer Kenntnis des Karfreitags-Geschehens auszudrücken vermag, das erlebten die Gäste in der gut besetzten Clemens-Kirche am Freitag. Das Vokalensemble Seicento vocale stimmt zunächst klassische Ausdrucksweisen an, in den Antwortgesängen, Responsorien, Carlo Gesualdos. Fein abgestimmt ist das zwischen 18 Stimmen und solistisch stark. Schon hier beeindruckt die unkonventionelle Klangwelt des Komponisten aus dem frühen 17. Jahrhundert. Der Brückenschlag zum ebenfalls avantgardistischen Claude Vivier des 20. Jahrhunderts gelingt, er beginnt mit dem zweimal zwischen die Antwortgesänge eingefügten „Jesus erbarme dich“.

Hat das erste Responsorium zum Aufmerken aufgerufen, entwickelt Viviers „Musik für das Ende“ halbstündig den Übergang zum Tod, gipfelnd in dem Properium, dem Klage-Gesang, im Crescendo des Fragens: „Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich?“.

Das Ensemble nutzt dazu die Räumlichkeit in St. Clemens, stellt das Gros der Sängerinnen und Sänger U-förmig vor den Altarraum, die anderen in den Halbkreis hinter ihn.

Angesichts des kräftigen Applauses, für den sich viele Gäste erhoben, bot das Ensemble eine Zugabe von Tomás Luis de Victoria, eines großen Komponisten der Renaissance, Zeitgenosse Gesualdos.

Den Zugang zu den fremdsprachigen Texten erleichterte das schön gestaltete Programmheft zu „Musik für das Ende“ mit deutscher Übersetzung.

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Das Ensemble Seicento vocale kommt für seine Auftritte im Raum Westfalen-Lippe aus ganz Deutschland zusammen, zum Beispiel aus Leipzig, München, Köln oder Nürnberg. Man kennt sich von der Hochschule für Musik Detmold. Ursprünglich war die Idee, sich zu gemeinsamen Urlauben zu treffen, erzählt die Mezzosopranistin Julia Spiess, die den Chor koordiniert. Inzwischen stemmt das Ensemble jährlich zwei bis drei Projekte, „in diesem Jahr mehr, weil so viele verschoben wurden“, sagt Spiess.

Alexander Toepper, Leiter des Ensembles, ist an der Stadt- und Marktkirche Sankt Lamberti in Münster als Organist, Kantor und Chorleiter tätig.

Das Ensemble Seicento vocale ist für seine besondere Arbeit auf   Förderer angewiesen und erhält eine Förderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Mittel des Programms Neustart Kultur der Bundesregierung.