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Als Wolbeck Teil von Frankreich war

Münster-Wolbeck. Turbulent sei diese Zeit gewesen, ihre hektischen und dramatischen Abläufe hätten nachhaltige Änderungen gebracht, sagte der Historiker und ehemalige Leiter des Stadtarchivs Münster, Professor Franz-Josef Jakobi, am Donnerstag zum Thema „Wolbeck in Zeiten des Umbruchs. Säkularisation und politische Umwälzungen 1802 bis 1816“.

Historiker schildert folgenreiche Umbrüche für Wolbeck zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Stärker sei wohl nur der Umbruch durch den II. Weltkrieg gewesen, so Jakobi bei seinem vom Heimatverein Wolbeck organisierten Vortrag im Drostenhof.
Gleich fünfmal wechselte die Landesverfassung zwischen Reichsdeputationshauptschluss und Wiener Kongress: Wolbeck war mal Teil von Preußen, mal des Fürstentums Rheina-Wolbeck, mal Frankreichs: Da amtierte Franz-Josef Zumbusch, an den heute eine Straße erinnert, als „Maire“ und „Notaire“ in Wolbeck.
Der preußische König entschied – und schob die Tradition von Jahrhunderten beiseite. Lebendig schilderte Jakobi die Brüche: Fürstbistum und Domkapitel als Herrscher waren Geschichte, ihnen folgte ein preußischer König im fernen Berlin, den Ständen folgte offener Wettbewerb und der Kampf um Macht und Einfluss,  die konfessionelle Einheit wich einer protestantischen preußischen Verwaltung und einer breiten Profanisierung. Die Gilden vergingen zugunsten der Gewerbefreiheit, die viele Handwerker- und Bauernfamilien entwurzelte, auf dem Land wichen Leibeigenschaft und Schutz Eigenverantwortung und freiem Markt. Im Gerichtswesen folgte dem Drosten das preußische Landgericht. Und der Landrat war ein von Berlin bestallter Beamter.
Die Abneigung war wechselseitig: Mehr als unfreundlich behandelte die Bevölkerung auch in Münster die zahlreichen preußischen Beamten und Militärs und ihre Familien. General Blücher  und „seine Offiziers-Soldateska“ hätten das letzte Wild im Tiergarten geschossen, erinnerte Rolf Linnemann, „die Wolbecker waren entsetzt“. Wolbeck verlor sein Wigbold-Recht, ihm wurde allerdings eine „gewisse Sonderstellung“ zugebilligt, es durfte auch den Namen „Wigbold Wolbeck“ führen. Bruderschaften wie die Nikolai und Achatii waren über Jahre verboten. Preußen machte in Münster Klöster zu Kasernen, aus mancher Kirche einen Pferdestall. Denn „der Katholizismus ist als Ausfluss des Mönchtums eine wahre Geisteslähmung“, so ein Zeitgenosse.
Manche Weichenstellung wirkt bis heute nach: Die Bahnlinien umgingen Münster zugunsten altpreußischer Gebiete und auch ein Kanal ließ lange auf sich warten: Ein spürbarer „Standort- und Strukturnachteil bis heute“, so Jakobi.
Ein Kleinstaat im Rahmen des Fürstbistums Münster allerdings hätte Industriealisierung und Modernisierung wohl nicht bewältigen können, schätzte Jakobi die Alternative zur „Provinz Westfalen“. Auch diese Veranstaltung der Vortragsreihe war gut besucht, wieder gab es viele Fragen: nach Steuern und Bruderschaften sowie die Was-wäre-gewesen-wenn-Frage: Und wenn die Franzosen länger geblieben wären? Dann hätte es wohl kein „Töttchen“ gegeben, meinte ein Zuhörer und Jakobi wies darauf hin, die napoleonische Zeit sei Kriegszeit gewesen. Viele Söhne Westfalens liegen in russischer Erde.
Der nächste Vortrag gilt am 25. März 800 Jahren Wolbecker Baugeschichte.

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