Jakobspilgerweg durchzieht ab 2007 Westfalen

In Westfalen wird es ab 2007 einen durchgehenden Jakobspilger- weg nach historischem Vorbild geben. Der ausgeschilderte, zirka 170 Kilometer lange Wanderweg wird einer alten Fernhandelsstraße von Osnabrück über Münster und Dortmund nach Wuppertal folgen, wie der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Wolfgang Kirsch, am Donnerstag (3.8.) in Münster mitteilte.

Er  kündigte außerdem für Mitte nächsten Jahres einen Wanderführer (zirka 15 Euro, auch für Radwanderer) an, der die historischen Wege, die über 1.000 Jahre alte Tradition der Pilgerreise nach Santiago de Compostela (Spanien) und die Sehenswürdigkeiten entlang der Trasse in Westfalen beschreibe.
Der Wanderweg ist das Ergebnis fünfjähriger Forschung der Altertumskommission für Westfalen, die der LWL finanziert. Die Kosten für dieses Projekt lägen bei zirka 38.000 Euro, hieß es.
Die Trasse von Osnabrück nach Wuppertal (über Lengerich, Ladbergen, Münster, Herbern, Werne, Cappenberg, Lünen Dortmund, Hohensyburg, Herdecke, Gevelsberg, Schwelm) werde jetzt mit den Gemeinden vor Ort abgestimmt und bis zum Frühjahr mit der charakteristischen Jakobsmuschel
(europaweit gelb auf blauem Grund) ausgeschildert.
In Wuppertal-Beyenburg schließt eine Jakobspilger-Wanderroute an, die der Landschaftsverband Rheinland (LVR) über Köln und Aachen bis nach Belgien ausgearbeitet hat. Ein Anschlussprojekt im Norden wird voraussichtlich 2007 den Weg von Osnabrück durch Norddeutschland bis zum Baltikum fortführen.
Zwei weitere Strecken in Westfalen von Corvey (Kreis Höxter) über Paderborn und Soest nach Dortmund (2008) und von Marburg über Siegen nach Köln (2007) sind die nächsten Projekte der Altertumskommission von Westfalen, so ihr Vorsitzender Prof. Dr. Torsten Capelle. Das Projekt wolle die mittelalterlichen Wege und die Spuren der Jakobspilger in Westfalen möglichst genau rekonstruieren: "Es gab für die Pilger in Westfalen und anderswo keine eigenen Wege, im
Gegenteil: Sie suchten aus Angst vor Überfällen stark frequentierte, bekannte Trassen."
Die Pilgerfahrt zum Grab des Apostels Jakobus des Älteren im über 2.000 Kilometer entfernten nordspanischen Santiago de Compostela hat eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückgeht. Man versprach sich die Heilung von Körper und Seele als Lohn für den Besuch der Kultstätte.
Aus ganz Europa kamen Pilger, Männer und Frauen aus allen Schichten, nach Spanien, zu Fuß oder zu Pferd. Als Beleg und Erkennungszeichen diente die Jakobsmuschel, die jeder Pilger in Santiago erstehen konnte und deutlich sichtbar an der Kleidung  oder Umhängetasche trug.

Renaissance der Pilgerfahrt

"Seit einigen Jahren erlebt die Pilgerfahrt eine Renaissance, nicht erst, seit TV-Stars wie Hape Kerkeling sich auf den Weg machten: 2004 zählte man in Santiago 180.000 registrierte Fußpilger ", so LWL-Direktor Kirsch. Bereits 1987 hatte der Europarat dazu auf- gerufen, die Jakobspilgerwege in Europa zu erforschen. 1993 erklärte die UNESCO den Weg zum Weltkulturerbe.
Der entstehende Wanderweg in Westfalen ist nach Angaben der Projektleiterin Ulrike Spichal weitgehend an historisch belegte Weg- führungen angelehnt. Spichal: "Wir haben Reste von Hohlwegen gefunden, die sich durch die schweren Fuhrwerke ins Gelände eingegraben hatten. Zollstationen, die wir nachweisen konnten, waren für den Wanderer keine Hindernisse, denn Pilger waren vom Wegezoll befreit. Zahlreich sind die Hinweise auf mögliche Herbergen wie Klöster und Spitäler."

Kloster Cappenberg

Kloster Cappenberg zum Beispiel besaß ein Hospital, in dem vermutlich auch Pilger auf dem Weg nach Santiago Unterkunft fanden. In Osnabrück wurde nicht nur ein durchreisender Pilger bestattet, es gab hier auch eine Jakobikapelle und ein St. Jakobi- Gasthaus, das mittellosen Pilgern für maximal zwei Nächte Unterkunft bot.

Kultstätten im Münsterland

Überregionale und lokale Kultstätten konnten die Wegewahl mittelalterlicher Pilger durchaus beeinflussen. So werden zum Beispiel ein wundertätiges Marienbild in Lengerich und die Petrikirche auf der Hohensyburg, die im Mittelalter eine eigene kleine Wallfahrt besaßen, auch Jakobspilger angezogen haben. Ankunft in Santiago und Rückkehr nach Hause waren bei den
damaligen Verhältnissen durchaus nicht gewährleistet, so dass es wichtig war, auf dem Weg immer wieder für einen guten Verlauf des weiteren Weges zu beten.
Über Jakobspilger, die aus Westfalen stammen, sei nur wenig bekannt, so die Forscherin. Bekanntester westfälischer Pilger ist Bischof Anno aus Minden, der sich in den Jahren 1174 und
1175 auf den Weg nach Santiago de Compostela machte, das damals als Pilgerort gleichrangig neben Rom und Jerusalem stand.
Durch eine Pilgerreise konnten Verbrecher auch ihrer Strafe entgehen, wenn ein Gericht sie dazu verurteilte. "Bettler, Räuber und Steuerhinterzieher im Pilgergewand haben zusammen mit den
Strafpilgern die Pilgerfahrt im Laufe der Zeit in Verruf gebracht. Jakobsbrüder wurden vielerorts mit Gesindel gleichgestellt. In Herford, einer wichtigen Sammelstation für Pilger in Westfalen,
soll die Jakobikirche 1530 wegen der Jakobspilger, die den Status für ihre Zwecke ausgenutzt haben, geschlossen worden sein", erläutert Spichal. Für mittellose Menschen war jedoch eine Pilgerreise oft die einzige Möglichkeit, die Heimat zu verlassen. Wohlhabende konnten das Pilgern auch delegieren und einen Berufspilger mieten.