Betriebe erschließen Kräfte der Benachteiligten

Münster/Westfalen. Sogar in der Bauindustrie werden wieder neue Leute eingestellt und jeder vierte der 588 befragten Handwerksbetriebe spricht bereits von einem Fachkräftemangel, betonte Anfang Januar 2007 Walter Bourichter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Münster. Unter dem Mangel an Arbeitskräften leiden vor allem die Zulieferer, aber auch das Bau-und Kfz-Gewerbe, hieß es.

Als Grund nännten die Betriebe zu drei Viertel die fehlende Eignung der Bewerber. Angesichts der sinkenden Einwohnerzahl Deutschlands könne es sich das Handwerk nicht leisten, so Bourichter, nur auf die leistungsstarken Jugendlichen zu setzen. Die Handwerkskammer verstärke daher in diesem Jahr ihre Aktionen, um auch leistungsschwächeren und durch Behinderung oder Migrationshintergrund benachteiligten Jugendlichen und Erwachsenen den Einstieg in den Arbeitsmarkt leichter zu machen. Gefördert von zahlreichen Trägern, darunter dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Land NRW und der Agentur für Arbeit, werden 16 Projekte für Benachteiligte angeboten. Dazu zählt auch das Projekt „Jugend in Arbeit plus" des Landes NRW: Betriebe, die einen langzeitarbeitslosen Jugendlichen einstellen, bekommen für ein Jahr einen 50-prozentigen Lohnkostenzuschuss plus Anteile zur Sozialversicherung. Im Anschluss an das Förderjahr werden laut Bourichter 70 Prozent der Jugendlichen weiter beschäftigt oder beginnen eine Ausbildung.

Damit hörbehinderte Jugendlichen Grundtechniken der Berufsfelder Holz, Metall und Hauswirtschaft erlangen, haben vier Ausbilder im Handwerkskammer Bildungszentrum die Gebärdensprache erlernt. Die dreiwöchigen Praktika leisteten eine so gute Berufswahlorientierung, „dass der Anteil der behinderten Schüler, die nach der Schule in eine betriebliche Ausbildung vermittelt wurde, von 12 auf 41 Prozent gestiegen ist", freut sich Dr. Fritz Baur, Sozialdezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.

Viele Betrieben honorieren auch die Arbeit von Bernd Stüer, der als Fachberater für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im vergangenen Jahr rund 120 Betriebe aufgesucht hat. Ein Viertel der Betriebe habe sich entschlossen, einen Behinderten einzustellen, so Stüer.

Im Jahr 2006 stieg die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um acht Prozent (6000) im Vergleich zum Vorjahr.